Not macht erfinderisch | Jahresrückblick 2012 zur Bioenergie

Die Zeit der Jahresrückblicke ist in vollem Gange und auch die Bioenergie kann auf ein turbulentes Jahr zurückblicken. Dabei werden viele Bioenergie-Akteure nicht viel Wehmut verspüren, wenn sie an das Jahresende denken und sich stattdessen auf die Möglichkeiten des neuen Jahres freuen. Allgemein war 2012 ein Härtetest für die Energiewende in Deutschland und mit einigen Ausnahmen (Stichworte: Windenergie, Elektromobilität) haben vor allem Kritik und Zweifel die öffentliche Debatte zum Umstieg auf die erneuerbaren Energien geprägt – ein häufig herausfordernder Disput zwischen Optimisten und Pessimisten. Neben den öffentlich ausgetragenen Konflikten (Stichworte: Leopoldina-Studie, Tank-oder-Teller, Nachhaltigkeit) gab es mit innovativen Konzepten und neuen Technologien auch erfreulich Entwicklungen innerhalb der Familie der Bioenergieträger. Außerdem ist die Branche in diesem krisengeschüttelten Jahr stärker zusammengewachsen! Dieser letzte Artikel des Jahres bietet in Form eines Jahresrückblicks eine kleine Zusammenfassung wichtiger Ereignisse aus der Welt der gasförmigen, flüssigen und festen Bioenergie in Deutschland.

Den Befürwortern der Energiewende ist bewusst, dass diese nur dann gelingt, wenn die Erneuerbaren sowohl im Strom-, Wärme- und Transportsektor Einzug finden und ein ganzheitlicher Ersatz der fossilen Energieträger angestrebt wird. Das einzige Zugpferd der Energiewende bleibt auch in diesem Jahr der Strombereich. Dieser hat mit einem aktuellen Anteil von 25 Prozent erneuerbaren Energieträgern eine international beeindruckende Erfolgsgeschichte vorgelegt. Der rasche Erfolg im Strommarkt kam selbst für Fachleute und starke Befürworter der Energiewende so überraschend, dass die zu Beginn des Jahres inkraftgetretene EEG-Novelle und die vielfach gekürzten Einspeisetarife als vorübergehende Bremse auf den Anlagenzubau wirken sollten. Eine Phase des Innehaltens, um den weiteren Ausbau vernünftig zu planen. Ökonomischer formuliert sollen die Erneuerbaren mit der Novelle noch näher an den Markt herangeführt werden (Stichwort: Direktvermarktung der Bioenergie), damit sie mittelfristig möglichst unabhängig von jeglicher Förderung im Markt bestehen können. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass die Subventionen der fossilen Energiewirtschaft weiterhin deutlich höher ausfallen, als die staatliche Förderung von Sonne, Wind & Co.

Foto Mann mit Fernglas auf Büchern

Gasförmige Bioenergie – ein schwieriges Jahr für die Biogasbranche

Die vergangenen Jahre waren sehr gute Jahre für die Biogasbranche und der Anlagenzubau brummte. Für das Jahr 2012 wurde ein deutlicher Einbruch beim Anlagenzubau erwartete, wobei die anfängliche Prognose in der Realität sogar noch untertroffen wurde und der Fachverband Biogas seine Branchenzahlen für 2012 zum Jahresende noch nach unten korrigiert hat. Während der Zubau an Biogasanlagen in Deutschland eingebrochen ist, erlebt der Anlagenzubau in Europa einen starken Aufschwung. Der Export ist deshalb ein herzlich willkommenes Trostpflaster für viele der größten Anlagenhersteller.

Leider hat die im Januar inkraftgetretene Novelle des EEG bisher nicht die Erfolge gezeigt, welche vor allem beim Zubau von Mini-Biogasanlagen, sowie beim Einsatz von Biomethan erhofft wurden.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das flexibel einsetzbare Biomethan erweisen sich in der Praxis als zu schwammig (Netzanschluss Biomethan) und die schwierigen Anforderungen an die Bilanzierung von Biomethan können bisher nur von den größten Biogasanlagen ökonomisch und organisatorisch bewältigt werden. Auch der Zugang von Biomethan zum Wärmemarkt und die Novellierung des EEWärmeG ist weiter hart umkämpft. Eine gesetzliche Nachbesserung zur Vereinfachung des Einspeiseverfahrens, sowie der Erweiterung des Einsatzfeldes von Biomethan werden von der Branche sehnlichst gewünscht und könnten Biomethan zum Durchbruch verhelfen. Mit entsprechenden Anpassungen finden auch die Biomethanziele der Bundesregierung für 2020 und 2030 wieder in den Zielkorridor zurück. Vielversprechende technologische Konzepte für die Einspeisung von Biomethan bieten die Branchenakteure bereits an.

Der bisher noch ausbleibende Erfolg der Mini-Biogasanlagen kann hauptsächlich mit den fehlenden Erfahrungen bei den Kleinstbiogasanlagen, sowie mit den herausfordernden betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen erklärt werden. Dank der Kreativität der Not könnte aber mit etwas Glück das kommende Jahr ein sehr Gutes für die 75 kW Anlagen werden. Der Bau der ersten Anlagen hat bereits begonnen.

Eine erfreuliche Nachricht für die gasförmige Bioenergie ist das gestiegene Interesse der Energiekunden am Ökogas. Nach dem Erfolg von Ökostrom etabliert sich zunehmend auch das Ökogas am liberalisierten Energiemarkt. Auch die Auszeichnung von innovativen Biogasprojekten weisen den Weg aus der Krise und zeigen in Deutschland vor allem in Richtung Optimierung und Repowering der bestehenden Biogasanlagen.

Die großen Branchentreffen in der ersten Jahreshälfte (Biogastagung in Leipzig, BiogasWorld in Berlin) werden mit vielversprechenden Konzepten aufwarten, um einen gemeinsamen Weg aus der aktuellen Stagnation zu finden. Neue Energiepflanzen, Technologien zur Effizienzverbesserung von Biogasanlagen und die Direktvermarktung bergen das größte Potential für die gasförmige Bioenergie im Jahr 2013.

Flüssige Bioenergie – Licht am Ende des Tunnels?

Die flüssigen Bioenergieträger bleiben auch 2012 das Sorgenkind der Bioenergiebranche und sind in diesem Jahr sogar noch stärker unter Druck geraten als in vorangegangen Jahren. Angefangen bei der Herausnahme von Pflanzenöl-BHKWs aus dem EEG 2012, über die hitzige Debatte die auf die Bioenergie-Studie der Leopoldina folgte, bis hin zu den Überlegungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), E10 vorübergehend aus dem Markt zu nehmen.

Die Aussetzung des leicht gestiegenen Biokraftstoffgemischs wurde von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel vorgeschlagen, um mit dieser Maßnahme auf die im Sommer rasch gestiegenen Weltmarktpreise für Nahrungsmittel zu reagieren, welche durch die schweren Dürren in den USA und Indien erreicht wurden. Neben der Tank-oder-Teller-Diskussion wurde auch die Debatte um die Regenwaldabholzung für Biosprit weitergeführt, obwohl diese mit der Schaffung von Nachhaltigkeitssystemen bereits im Vorjahr gelöst scheint – zumindest gilt das für Europa. Dafür wurden die Sorgen um Motorschäden durch das Tanken von E10 in der Praxis nicht bestätigt und die Nachfrage nach E10 ist weiter gestiegen.

Für viel Wirbel hat außerdem der Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Biokraftstoffziele gesorgt. Die Entscheidung zum ILUC-Faktor wurde in Brüssel lange vertagt und mündete letztlich in einem deutlichen Bekenntnis für Biosprit der nächsten Generation. Demnach sollen zum Erreichen der EU-Ziele für den erneuerbaren Kraftstoffbereich künftig nur noch 5 Prozent des Kraftstoffaufkommens aus Biokraftstoffen der sogenannten 1. Generation verwendet werden und weitere 5 Prozent durch Biokraftstoffe der Folgegenerationen gesichert werden. Daraufhin haben sich 16 Verbände zusammengetan und in einer gemeinsamen Stellungname vor einer überstürzten Änderung der Biokraftstoffziele der EU gewarnt.

Allgemein müssen die Unternehmen der Biokraftstoffbranche anerkennen, dass viele Verbraucher, abgesehen von den Gruselgeschichten, relativ wenig über Biokraftstoffe wissen und offensiver für die großen Vorteile von Bioethanol und Biodiesel geworben werden muss.

  • Größere Unabhängigkeit vom Erdöl
  • Alternative an der Tankstelle
  • Anstieg der heimischen Wertschöpfung im Transportbereich
  • Beitrag zum Klimaschutz
  • Potential zur Verbesserung der globalen Ernährungssituation

Es sollte gezeigt werden, dass Biokraftstoffe auch eine andere uns sehr helle Seite haben!

In der internationalen Biokraftstoff-Gemeinschaft ist die Stimmung bezüglich den Agrotreibstoffen aktuell etwas positiver als in Deutschland. Hierbei stellt sich die Frage, ob Deutschland bei der teilweise sehr kritischen Einstellung gegenüber Biokraftstoffen ein konstruktiver Vorreiter ist oder als destruktiver Querschläger der Energiewende im Verkehrsbereich wirkt?

Zumindest beim Aufbau und der Integration der Nachhaltigkeitszertifizierung für Biokraftstoffe zählt Deutschland mit Sicherheit zu den Vorreitern. Auch bei der Entwicklung von Biokraftstoffen der nächsten Generation gehört Deutschland zu den 10 modernsten Staaten weltweit. So wurde im Bioenergie-Cluster Straubing die größte Demonstrationsanlage Deutschlands zur Herstellung von Cellulose-Ethanol in Betrieb genommen und läuft seit 6 Monaten erfolgreich. Und auch auf der ACHEMA 2012 wurden einige spannende Konzepte für die Biokraftstoffe von Morgen vorgestellt.

In Europa erleben die Biokraftstoffe der zweiten Generation aktuell eine gute Zeit, die in den nächsten Jahren sicherlich anhalten wird. Vor allem Neste Oil (NExBtL), aber auch die deutsche Verbio AG (Verbiogas) haben sich bei der industriellen Produktion von Biokraftstoffen der nächsten Generation in Europa hervorgetan. Als führendes Land Europas bei der Entwicklung von Cellulose-Ethanol hat sich Dänemark etabliert, bekommt aber in diesem Jahr durch die Inbetriebnahme der größten Produktionsanlage der Welt in Crescentino (Italien) Konkurrenz, bzw. einen starken Partner.

Feste Bioenergie – Holzpellets sind gefragter denn je

Die Branche der Holzenergie in Deutschland erlebt seit Jahren einen Aufschwung. Vor allem die Marktakteure für Holzpellets sehen optimistisch in die Zukunft und die Branche befindet sich sowohl bei der Produktion, als auch beim Verbrauch in einer kontinuierlichen Wachstumsphase. Und die kommenden Jahre sollen sogar noch bessern werden! Davon können die gasförmige und flüssige Bioenergie zum aktuellen Zeitpunkt nur träumen.

Grund für diesen Erfolg dürften nicht zuletzt die anhaltenden Preisvorteile von holzartigen Energieträgern zum Heizen sein. So betragen die Ersparnisse beim Einsatz von Holzpellets über 40 Prozent, wenn man die Kostenbilanz mit fossilen Energieträgern wie Heizöl oder Kohle vergleicht. Das seltene Phänomen einer guten Klimabilanz und günstigen Heizkosten trifft bei den festen Bioenergieträgern zusammen und weckt das Interesse der Energieverbraucher.

Und auch bei der festen Bioenergie wird an innovativen Konzepten gefeilt, um die Branche weiter zu verbessern. In einem Vodcast zu Biokohle wird der feste Bioenergieträger Biokohle („Suncoal“) vorgestellt, der einen Energiegehalt mitbringt, der mit Braunkohle vergleichbar ist und somit die Transportkosten je genutzter Kilowattstunde reduziert. Außerdem kann Biokohle dank dem Verfahren der Hydrothermalen Karbonisierung aus einem breiteren Spektrum von organischen Substraten gewonnen werden. Vor allem organische Abfälle können in der letzten Nutzungsphase (siehe Kaskadennutzung) zur effizienten Erzeugung von Energie verwendet werden.

Die Bioenergie freut sich auf 2013

Das Jahr 2012 wird mit Sicherheit nicht als glorreiches Jahr der Bioenergie und auch nicht als Erfolgsjahr der Energiewende in die Geschichtsbücher eingehen. Aber eine Phase der Kritik und des kollektiven Zweifelns muss nicht zwangsweise destruktiv enden, sondern kann bekanntlich auch Verbesserungspotenntiale aufzeigen und eine vernünftige Kurskorrektur hervorbringen.

Welche Auswirkungen die leidenschaftlichen Diskussionen im Wahljahr 2013 zeigen werden, werden wir in den nächsten Monaten erleben. Aber nach jedem Tief kommt auch wieder ein Hoch und in vielen Punkten sind wir auf einem sehr guten Weg. Ich bin gespannt auf das kommende Jahr und freue mich auf zahlreiche Diskussionen. Bis dahin wünsche ich Ihnen einen guten Start in ein gesundes, erfolgreiches und glückliches Jahr 2013.

1 Kommentar zu „Not macht erfinderisch | Jahresrückblick 2012 zur Bioenergie“

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