Hydrothermale Karbonisierung – ein magischer Weg zur Bioenergie

Eine grandiose Idee aus dem Bereich der Bioenergie mit magischer Anziehungskraft. Was wäre, wenn es eine Verfahrenstechnik gäbe, mit der vergleichweise einfach der nachwachsende Rohstoff Biomasse in eine beliebige Form umgewandelt und die geomorphologische Wirkung von vielen Jahrtausenden durch wenige Stunden ersetzt werden könnte?

Biokohle Hydrothermale Karbonisierung HTC Pyrolyse biocoal

Die Kohleförderung in einer Mine ist trotz des „Schaufel-Guitarrespielers“ auf dem Foto sicher kein allzugroßes Vergnügen gewesen. Die Gewinnung von Kohle bekommt nun eine attraktivere Alternative. Der Direktor des Max-Planck Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung (Potsdam), Markus Antonietti, hat auf einen Artikel im Magazin MaxPlanckForschung (2/2006) über 1000 Rückfragen aus der ganzen Welt bekommen und war selbst sehr überrascht über dieses überwältigende Feedback (siehe auch Artikel HTC in Berlin-Brandenburg).

In dem Artikel ging es um ein von ihm und seinem Team beschriebenes Verfahren namens „Hydrothermale Karbonisierung“ (HTC). Das Verfahren ist mittlerweile über ein halbes Jahrzehnt bekannt. Der Prozess selbst ist aber noch viel älter („Verkohlung„). Eine genaue Untersuchung und Überlegungen für eine großtechnische Nutzung werden aber erst jetzt wieder zunehmend interessant. Und das scheinbar so Einfache, mit großer Wirkung, ist tatsächlich sehr anziehend.

Was ist so revolutionär an der Hydrothermalen Karbonisierung und was macht die Idee so faszinierend?

Die Verfahrenstechnik sieht vereinfacht beschrieben folgendermaßen aus. Es wird Biomasse in einen Druckbehälter gegeben und ein Katalysator zur Reaktionsbeschleunigung hinzugefügt. Der Behälter wird luftdicht verschlossen und ordentlich mit Wärmeenergie (180°C)  erhitzt. Den Rest übernimmt die Zeit, was bedeutet, dass ca. 12 Stunden gewartet wird. Im Behälter entsteht durch diese Behandlung der Auskochung eine Art Kohlestaub und Wasser. Nach einer Trockung erhält man reinen Kohlestaub. In diesem Artikel finden Sie weitere Angaben zur Herstellung von Biokohle durch HTC, Pyrolyse oder Torrefizierung

Vergasung Pyrolyse Gasification Torrefaction Kohle biochar

Es ist somit nicht eine Art der Energieerzeugung, sondern eher ein Prozess um organische Substanz aufzubereiten. In gewisser Hinsicht eine Veredelung von Biomasse in eine bestimmte molekulare Struktur. Besonders spannend ist, dass durch das leichte Verändern der Rahmenbedingungen (Dauer der Kochung und Höhe der Temperatur) unterschiedliche Produkte erzeugt werden können. So kann durch das Variieren der Kochzeit entweder Humus, Torf, Braunkohle oder auch eine Art von Erdöl hergestellt werden.

Vielleicht ist die Umwandlung der Hydrothermalen Karbonisierung nicht ganz so faszinierend, wie die Möglichkeit Wasser zu Wein oder Stein in Gold zu verwandeln, aber die Aushebelung oder Überlistung der Zeit, hat etwas Magisches. Der Prozess ist eine Art von „Erdgeschichte im Zeitraffer“.

Nach Ansicht von  Marcus Antonietti ist die effektivste Nutzung des Kohlepulvers auch nicht die anschließende Verbrennung, sondern die Verstromung in einer Kohlenstoff-Brennstoffzelle. An der Harvard University gibt es dazu eine Pilotanlage mit einem elektrischen Wirkungsgrad von 60%. Außerdem sollten für den Prozess der HTC nur Abfallstoffe genommen werden und keine hochwertige Biomasse die auch als Nahrungsmittel verwendet werden könnten.

Kritische Auseinandersetzung mit dem Prozess

Ich möchte mich nicht hinstellen und an Hand von Ferndiagnosen irgendwelche Spekulationen zur Verfahrenstechnik aufstellen, aber natürlich stellen sich einem neugierigem Leser an dieser Stelle einige Fragen zum Verfahren der Hydrothermalen Karbonisierung.

  • Die naheliegendste Frage ist in meinen Augen die Frage nach der Energiebilanz? Wenn der Druckbehälter 12 Stunden lang auf 180°C erhitzt werden muss (inklusive Katalysatoren), ohne dass Energie produziert und auch keine exotherme Reaktion ausgelöst wird, wie kann dabei eine gute Gesamtenergieausbeute beim anschließenden Nutzen des Kohlestaubs stattfinden? Liefert der hergestellte Kohlestaub genügend Energie, dass sich die vorherige energetische aufwendige Aufbereitung und Trocknung lohnt? Vielleicht könnten die benötigten Wärmemengen aus der stetig steigenden Verbreitung von KWK Anlagen genutzt werden, um den Prozess ablaufen zu lassen. In naher Zukunft werden große Mengen Wärme anfallen (z.B. aus BHKWs), für welche nicht immer  (gerade im Sommer) genügend Nutzungsmöglichkeiten vorhanden sind. Trotzdem müsste die benötigte Wärmemenge in der Energiebilanz berücksichtigt werden.
  • Was genau oder wie groß ist der Unterschied zwischen der Hydrothermalen Karbonisierung und der Pyrolyse (Biomasse-Vergasung)? Unterscheiden sich beide hauptsächlich in ihren Rahmenbedingungen (höhere Temperatur und höhere Drücke bei der Pyrolyse) oder gibt es grundsätzlichere Unterschiede? Die entstehenden Produkte der Verfahren scheinen sich zu ähneln (Synthesegas, Kohle). Besonders die indirekte Pyrolyse unter Sauerstoffabschluss und die Hydrothermale Karbonisierung hören sich für mich nach dem  gleichen Verfahren unter anderer Flagge an.

Trotz meiner skeptischen oder zumindest kritischen Einstellung freut mich die neue (neu entwickelte) Verfahrenstechnik sehr und ich drücke die Daumen für die Weiterentwicklung der Hydrothermalen Karbonisierung.

16 Kommentare zu „Hydrothermale Karbonisierung – ein magischer Weg zur Bioenergie“

  1. Wir besitzen ein erprobtes Pyrolysereaktor-Verfahren (geschlossener CO2-Kreislauf aus vegetativer Biomasse Kohle und über den Separator Öl und Biogas produziert werden). Wir suchen die Zusammenarbeit mit Kommunen, Forschern, Investoren, Kohlefeuerungsherstellern o.à. Wenn sich Ihre Abteilung Forschung und Entwicklung oder die Marketingabteilung bei uns melden würde, würde es uns sehr freuen.
    Freundliche Grüsse
    D. Beurret

  2. Zur Kritischen Auseinadersetzung mit dem Prozess

    – Unterschied zur Pyrolyse: Pyrolyse läuft bei viel höhere Temperatur ab, braucht also viel mehr Energie; Der Druck ist bei beiden gesättigt. Ich glaube bei der Pyrolyse kann kein feuchtes Material genutzt werden, bin mir aber nicht sicher. Arbeite mich gerade erst in das Thema ein

    – Hydrothermal Carbonisation ist eine exotherme Reaktion, bei der Sauerstoffgehalt und Wasserstoffgehalt gesenkt werden. (Dehydration und Decarboxylierung) Zum Start braucht es Anfangsenergie, die aber später zurück gewonnen werden kann. Aber der genaue Reaktionsablauf ist noch nicht geklärt. Die Reaktionsgleichungen sind noch in der Forschung.

  3. Für mich hören sich beide Verfahren zur energetischen Biomasse-Nutzung sehr ähnlich an. Die Idee, dass die Verfahren der HTC und der Pyrolyse am besten über quantitative Grenzwerte der Parameter Druck und Temperatur von einander unterschiedenen werden können, finde ich sehr einleuchtend.

    Wenn sie sich gerade tiefer in das Thema einarbeiten und vielleicht fündig werden, wäre es natürlich schön eine präzise wissenschaftliche Unterscheidung zwischen Pyrolyse und Hydrothermaler Karbonisierung (in so fern es denn schon eine gibt) zu erfahren. Beide Verfahren haben jedenfalls eine starke Anziehung und ich bin gespannt, was sie für die Entwicklung der Bioenergie noch bedeuten werden.

    Viel Erfolg bei der weiteren Forschung!

  4. Es gibt einige Artikel auf Wikipedia:
    de.wikipedia.org/wiki/Klimafarming
    de.wikipedia.org/wiki/Biokohle

    Über europas erste kommerzielle (und scheinbar energieneutrale) Anwendung:

    ithaka-journal.net/europas-erst-biokohle-produktion-geht-in-betrieb

    über die genau Funktionsweise:
    ithaka-journal.net/pyrolysereaktor

  5. Wirklich wichtig ist, dass der Prozess 1. total nasses Material verwenden kann und 2. exotherm verläuft.

    Die Verwendung von Biomasse hat ein großes Problem – die geringe Energiedichte. Ohne Komprimierung lässt sich Biomasse maximal 30km transportieren ohne die Energibilanz ins Negative zu kippen. Thermische Verfahren zur Komprimierung, wie die Pyrolyse, einschließlich „Torrefaction“ haben den Nachteil, dass man zunächst den Wassergehalt entfernen muss (auspressen und verdampfen). Das ist teuer.

    Mit der hydrothermalen Karbonisierung hingegen nutzt man einen Teil der in der Biomasse steckenden Energie für den Prozess und nach Komprimierung sind nur ca. 6% der Energie für die Verdampfung des Restwassers erforderlich, die dann auch noch durch Wärmetauscher aus der Abwärme der Anlage gewonnen werden kann. Das „Abwasser“ enthält alle Nährstoffe der Pflanzen und kann sofort als Dünger und zur Bewässerung wieder verwendet werden.

    Das ganze rechnet sich. Wir haben einen Modellfall für Kenya untersucht. Der Viktoriasee wird durch Wasserhyazinthen erstickt.
    Diese haben aber 95% Wassergehalt und sind kaum nutzbringend zu verwenden – dachten wir, bis wir auf diese Technologie stießen. Es gibt Erntemaschinen für Wasserpflanzen und mit Anlagen in Strandnähe lässt sich Biokohle erzeugen, die dann gepresst und an Stelle von Holzkohle verkauft werden kann. 90% der Haushalte in Kenya verwenden Holzkohle zum Kochen. Dies hat zur Folge, dass die Entforstung im Lande katastrophal ist und die Preise für Holzkohle extrem steigen. Die Entforstung schwappt daher schon in die Nachbarländer über. Nairobi erhält seine Holzkohle aus über 200km Entfernung. So haben wir nicht nur ein finanziell tragfähiges Projekt, sondern auch viele Vorzüge für die Umwelt (Entfernung der Überdüngung aus dem See, Vermeidung von Wald-Kahlschlägen) und die Menschen, die zahlreiche Arbeitsplätze und kostengünstige Holzkohle bekommen.

    Die „Triple Bottom Line – People-Planet-Profit“ ist hier bestens erfüllt. Ist jemand interessiert an der Zusammenstellung einer Finanzierung mitzuwirken?

  6. Vielen Dank für die konkreten Angaben zur Energiebilanz der Hydrothermalen Karbonisierung und der Vorstellung des Projekts in Kenia.

    Die HTC muss wahrscheinlich von Fall zu Fall durchgerechnet werden und kann dann auch unter heutigen technologischen Bedingungen schon sehr positive Effekte bringen. Das Projekt zur Verbesserung des Gewässerschutzes und der Energieversorgung in Kenia ist ein tolles Beispiel dafür! Ein Vorteil des Projekts in Ostafrika ist, dass es auf vielen Ebenen Verbesserungen für die Bürger vor Ort verspricht. Deshalb ist die Frage nach der Energieeffizienz bei der Herstellung der Biokohle nicht die Top-Priorität, wenn es allgemein um eine Sicherung der Energieversorgung geht.

    Was ist mit „Zusammenstellung einer Finanzierung“ gemeint? Werden weitere Mitarbeiter oder Investoren gesucht? Bei der GIZ haben Sie bestimmt schon angefragt.

    Ich wünsche dem HTC-Projekt in Kenia viel Erfolg! Dank der Internetseite des LVEMP II Projekts kann die Entwicklung live mitverfolgt werden.

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