In der momentan auf BiomassMuse laufenden Artikelreihe zur BioÖkonomie wurde bereits ein Blick auf die Ursprünge der BioÖkonomie und die Potentiale der BioÖkonomie geworfen. Der Start einer Biomasse-Diät wurde als vielversprechende Möglichkeit vorgestellt, um einen schnellen, aber sanften Entzug vom Erdöl einzuläuten. Eine unbequeme Periode des Erdöl-Fastens wird vor allem für Deutschland ein immer wahrscheinlicheres Zukunftsszenario um die stattfindende Rohstoff- und Energiewende zu bewältigen. Deshalb setzt auch die Politik auf verschiedene Programme, um den Aufbau der BioÖkonomie aktiv zu fördern. In diesem weiteren Artikel zur biobasierten Kreislaufwirtschaft lassen wir die Grundlagen vorerst hinter uns und werfen einen Blick auf die konkreten politischen Maßnahmen zur Unterstützung der BioÖkonomie.
Deutschland setzt stärker auf die BioÖkonomie
In der deutschen Wikipedia wird der Artikel zur BioÖkonomie mit folgendem Satz eingeleitet:
„Die Bioökonomie ist die Ökonomie des Lebendigen, eine Fachbezeichnung für die Darstellung des ökonomischen Gehalts lebender Systeme.“
Wow, wenn das mal nicht umfassend formuliert ist! In jedem Fall lässt diese Definition viel Spielraum für unterschiedliche Interpretationen des häufig noch unbekannten Begriffs der BioÖkonomie. Einigkeit dürfte darüber bestehen, dass auch eine Gesellschaft ein lebendiges System ist. Eine tiefer gehende Beschäftigung mit der Ökonomie des Lebendigen ist demnach nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus gesellschaftlicher (politischer) Perspektive interessant.
Fragen wir ganz konkret: Welche Rolle spielt die BioÖkonomie für die Bundespolitik in Deutschland?
Wenn man dem Aufbau einer biobasierten Kreislaufwirtschaft prinzipiell zustimmt, kann man die politischen Maßnahmen der vergangenen Jahre dankbar begrüßen. Im vergangenen Jahr hat sich das Tempo zum Aufbau der BioÖkonomie noch beschleunigt, was sicher auch die Vorreiter der BioÖkonomie freut.
Dass es sich hierbei nicht nur um die Behauptung eines BioÖkonomie-Befürworters handelt, möchte ich mit einem kurzen Rückblick auf laufende politische Programme belegen.
Politik 1: Nationaler Biomasseaktionsplan der Bundesregierung
Bereits vor über 4 Jahren (April 2009) wurde der erste politische Wurf getätigt, um die Nutzung der wertvollen und heimischen Ressource Biomasse weiter zu stärken. Unter der Bezeichnung Nationaler Biomasseaktionsplan für Deutschland wurde vom BMELV und BMU ein 30-seitiges Dokument verabschiedet, welches den gezielten Ausbau der Biomasse-Nutzung für Deutschland gestalten soll. Dabei setzt der Biomasseaktionsplan seinen Schwerpunkt auf die energetische Nutzung von Biomasse, also die Bioenergie.
„Mit dem Biomasseaktionsplan wird die Bioenergie in Deutschland effizient und nachhaltig ausgebaut. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung, insbesondere in den ländlichen Räumen“, Bundesagrarministerin Ilse Aigner.
Der Aufstieg der Bioenergie im Strommarkt hat bereits mit der Verabschiedung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 begonnen. Der Nationale Biomasseaktionsplan erweitert den gezielten Einsatz der Bioenergie auf den Wärmemarkt und Kraftstoffmarkt und formuliert Bedingungen für den weiteren Ausbau der Bioenergie (Nachhaltigkeit, Kaskadennutzung).
Politik 2: Aktionsplan zur stofflichen Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen
Der Aktionsplan zur stofflichen Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen folgte 4 Monate nach dem Nationalen Biomasseaktionsplan (08.2009) und ergänzt diesen um die stofflichen Nutzungspfade für Biomasse. Das 40-seitige Dokument des BMELV nutzt nun offiziell den Begriff der biobasierten Wirtschaft und setzt sich für deren Aufbau ein.
Wichtige biobasierte Rohstoffe für die stofflichen Nutzungspfade zeigt die Übersicht der Agentur für Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR).
Wenn wir uns jetzt noch die Handlungsfelder des zweiten Biomasse-Aktionsplans anschauen, entsteht ein Bild, welches die Komplexität und Vielfältigkeit der biobasierten Wirtschaft erahnen lässt.
- Ölchemische Anwendungen
- Biobasierte Werkstoffe und naturfaserverstärkte Kunststoffe
- Zellstoffnutzung und Stärkeverarbeitung
- Industrielle Biotechnologie
- Bauen und Wohnen
- Phytopharmaka und Kosmetik
Werden die Nutzungspfade für Biomasse der Land-, Forst-, Wasser- und Abfallwirtschaft noch um die Gewinnung von Nahrungs- und Futtermitteln ergänzt, haben wir alle Ausgangsstoffe beisammen, welche die bunte Rezeptur der BioÖkonomie auszeichnen.
Politik 3: Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie 2030
Die vom BMBF erstellte Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 wurde am 10.11.2012 von der Bundesregierung beschlossen. Über die Forschung zur BioÖkonomie wird in einem der kommenden Artikel berichtet. An dieser Stelle nur die Übersicht der 5 genannten Handlungsfelder der Forschungsstrategie.
- Weltweite Ernährung sichern
- Agrarproduktion nachhaltig gestalten
- Gesunde und sichere Lebensmittel produzieren
- Nachwachsende Rohstoffe industriell nutzen
- Energieträger auf Basis von Biomasse aufbauen
Bis 2016 plant die Bundesregierung über die Nationale Forschungsstrategie 2.4 Milliarden Euro für den Aufbau der BioÖkonomie zu investieren.
Politik 4: Bekanntgabe der „Politikstrategie BioÖkonomie“ für Deutschland
Die erst im vergangenen Monat (12.07.2013) verabschiedete Politikstrategie BioÖkonomie nimmt die Synthese aller Biomasse-Nutzungspfade vor und bündelt diese unter dem Begriff der BioÖkonomie.
Wenn man so möchte, kann man die Politikstrategie BioÖkonomie als Erfahrungsbericht der vorangegangenen Aktionspläne lesen. Ein Auszug umreißt den Inhalt der 48 Seiten umfassenden und vom BMELV erstellten Strategie:
Die Politikstrategie Bioökonomie setzt Prioritäten für ein Fortschreiten in Richtung einer wissensbasierten Bioökonomie und zeigt Handlungsbedarf auf. Die Leitgedanken, strategischen Ansätze und Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Potenziale der Bioökonomie in Deutschland im Rahmen eines nachhaltigen Wirtschaftens zu nutzen und helfen, den Strukturwandel hin zu einer biobasierten Wirtschaft zu stärken. Die strategischen Ansätze sind mit Blick auf die langfristigen Ziele weiterzuentwickeln und an neue Herausforderungen anzupassen. Der Erfolg der Strategie soll im Rahmen eines Fortschrittsberichts untersucht werden.
Der folgende Auszug aus der Politikstrategie BioÖkonomie fasst die Ziele der Strategie zusammen:
- Die Bioökonomie muss wachsenden gesellschaftlichen Anforderungen an die Art, wie produziert wird, Rechnung tragen. Dies gilt beim Umwelt-, Klima-, Natur- und Tierschutz sowie bei der Einhaltung sozialer Standards
- Die Ernährungssicherung hat auch im globalen Kontext Vorrang vor der Erzeugung von Rohstoffen für Industrie und Energie
- Wo möglich und sinnvoll soll die Kaskaden- und Koppelnutzung von Biomasse realisiert werden
- Für die Wettbewerbsfähigkeit der Bioökonomie sind gut ausgebildete und informierte Fachkräfte unentbehrlich
- Die Chancen und Rahmenbedingungen für die Nutzung von Schlüsseltechnologien und ihr Transfer in die wirtschaftliche Nutzung sind zu verbessern
- Ein enges Zusammenwirken politischer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, ökologischer und sozialer Akteure ist bei der Entwicklung der Bioökonomie notwendig
Der BioÖkonomieRat ist als politisches Beratungsgremium aktiv und unterstützt die Bundesregierung beim Gestalten der langfristigen BioÖkonomie-Strategie.
Weitere Artikel zur BioÖkonomie in Deutschland
Abschließend ein kleiner Ausblick auf die kommenden Artikel der BioÖkonomie-Reihe auf BiomassMuse. In diesem Artikel ging es um die politischen Ambitionen von Deutschland, eine biobasierte Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Die Erforschung der BioÖkonomie wird in einem der kommenden Artikel vorgestellt. Außerdem wird es in einem der kommenden Artikel um die BioÖkonomie als vielversprechenden Auswege aus anhaltenden Bioenergie-Konfliktherden gehen (siehe Regenwaldabholzung, Tank-oder-Teller-Diskussion).
Was ist Ihre Meinung zur biobasierten Wirtschaft? Wie lange wird es dauern, bis wir die Energie- und Rohstoffwende weitgehend abgeschlossen haben?
Der Artikel ist sehr informativ, aber ist ein kleiner Fehler aufgefallen. Unter dem Punkt :Politik 3: Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 steht „Die vom BMBF erstellte Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 wurde am 10.11.2013 von der Bundesregierung beschlossen“. Der 10. November 2013 ist doch aber erst in zwei Monaten. Ich denke es wird noch einige Jahrzehnte dauern, bis wir die Energie- und Rohstoffwende weitgehend abgeschlossen haben.
Vielen Dank Frau Schlim für diesen Hinweis! Ich habe das Datum angepasst (2010 statt 2013) und jetzt sollte es passen. In die Zukunft zu schauen wäre eine faszinierende Gabe, aber das können wohl nur die Wenigsten von uns ;-)
Und ich stimme Ihnen zu, dass die Energie- und Rohstoffwende uns noch viele Jahrzehnte beschäftigen und die Arbeit an diesem Großprojekt wohl nicht so schnell ausgehen wird.
Schöne Grüße