MKS: Mobilitäts und Kraftstoffstrategie gibt der Bioenergie Raum

Die MKS 2013 (Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie) der Bundesregierung wurde von vielen Bioenergie-Akteuren lange erwartet. Immerhin geht es um einen der wichtigsten und vielversprechendsten Absatzmärkte für die Bioenergie: den Kraftstoffmarkt. Nach einem Jahr hat das Bundeskabinett am 12. Juni das Strategiepapier beschlossen, welches von 300 Akteuren in 20 Arbeitstreffen entwickelt wurde. Inhalte der MKS 2013 bezüglich der Bioenergie und Reaktionen der Branche werden in diesem Artikel vorgestellt.

Die wiederkehrende Geschichte von David und Goliath

Zuerst einige Worte zur Ausgangssituation für alle Leser, die wenig in die Biokraftstoff-Debatte involviert sind.

Vor allem die flüssigen Bioenergieträger werden von ihrem stark angeschlagenen Image geplagt (Stichworte: WelthungerPalmölILUC) und es fehlen im direkten Vergleich einfach die Ressourcen (Geld, Personal, Erfahrung), um sich gegen die wenig zimperliche und bestens ausgerüstete Konkurrenz durchzusetzen. Allein die Anti-Agrosprit-Kampagne auf Twitter ist gewaltig. Auf einen Pro-Biokraftstoffe-Tweet kommen mindestens 10 Tweets, die einem als Bioenergie-Enthusiast das Blut in den Adern gefrieren lassen. Hier einige einseitige und wenig konstruktive Beispiele, die allein in den letzten 3 Tagen veröffentlicht wurden.

  • „Die Agrosprit-Industrie finanziert Luxusurlaub für EU-Abgeordnete nach Südostasien“ (ReTweets in vielen Varianten)
  • „Noch 3 Tage: Agrosprit-Förderung der EU muss aufhören. Schreibe hier deinen Abgeordneten (inklusive Link zu Petition)“
  • „Biosprit vernichtet 700.000 Hektar Regenwald“ (viele ReTweets in zahlreichen Sprachen)

Viele sehr einseitige Tweets, die einzig auf die Emotionen von Lesern abzielen, die sich oberflächlich mit den Themen Energiewende, Klimaschutz und Bioenergie auseinandersetzen. Alle Argumente schön einfach und mit wenig Tiefgang!

Die Gegner der Bioenergie sind beeindruckend organisiert und die Kampagnen sind beängstigend gut finanziert. Eine lösungsorientierte Debatte zwischen Kritikern und Befürwortern ist bei so gruseligen Argumentationsansätzen nur schwer möglich.

Jetzt aber STOP, denn es geht in diesem Artikel immerhin in erster Linie um die MKS 2013 und nicht um die tieferen Gründe, warum es die Bioenergie im Kraftstoffmarkt aktuell so schwer hat. Abschließend noch einen einladenden Satz, den man sich als Befürworter der Bioenergie mit dem Wunsch nach einer konstruktiven Debatte tapfer antrainiert hat: Kritik an der Bioenergie ist wichtig und notwendig!

Aber sehen Sie solche Tweets als konstruktive Kritik?

MKS 2013 sieht Vorteile für Biokraftstoffe in einzelnen Teilmärkten

Kraftstoffe der Mobilitäts und Kraftstoffstrategie 2013

Nun zur aktuellen Entwicklung im Verkehrssektor, welche auch von der Bioenergiebranche lange erwartet wurde: die Mobilitäts und Kraftstoffstrategie 2013. Hier einige Fakten, welche das BMVBS beim Beschluss der MKS berücksichtigt hat.

  • Verkehr in Deutschland ist für 30 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich
  • Verkehr ist für 20 Prozent des Ausstoßes von CO2 verantwortlich
  • Verkehrssektor ist zu 90 Prozent von Erdöl abhängig

Alle genannten Fakten sprechen dafür, dass sich das Engagement für Klimaschutz und alternative Kraftstoffe im Verkehrssektor lohnt. Aber wie es sich für ein Ministerium gehört, drückt man sich bei der Formulierung der Strategie diplomatischer aus und lässt jeder vielversprechenden Technologie seinen Raum. So formulierte der Bundesverkehrsminister zur MKS 2013:

„Unsere Strategie ist technologieoffen. Sie berücksichtigt alle alternativen Technologien und Energieträger. Dabei gibt es nicht die eine Lösung, aber sehr wohl die eine Frage: Wie können wir den Menschen und der Wirtschaft auch in Zukunft bezahlbare, saubere und sichere Mobilität ermöglichen?“
Dr. Peter RamsauerBundesverkehrsminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Für den Einsatz von flüssigen Biokraftstoffen sieht die Mobilitäts und Kraftstoffstrategie vor allem zwei interessante und teilweise alternativlose Einsatzfelder.

Für die Luftfahrt wird empfohlen, gemeinsam mit der Industrie einenNationalen Entwicklungsplan für nachhaltige und alternative Flugkraftstoffe zu erarbeiten. Eine Umsetzung könnte im Rahmen eines „10.000-t-Biokerosin“-Programms erfolgen. Im Luftverkehr sind Biokraftstoffe derzeit die einzige Alternative zu fossilem Kraftstoff.

Auch in der Schifffahrt ist eine kontinuierliche Umstellung von Schweröl auf Diesel geplant. Die Biodiesel-Branche überlegt schon eine ganze Weile, ob sie sich stärker auf die Schifffahrt konzentrieren soll. Mehr zum Einsatz von Biokraftstoffen in der Luft- und Schifffahrt erfahren Sie im Artikel von Roland Schnell.

Am härtesten hat es während der vergangenen Jahre die Biokraftstoffe auf Pflanzenölbasis getroffen. Als Ausweg aus der Krise setzt die Branche auf den Einsatz ihres Biosprits in Fahrzeugflotten der Landwirtschaft und Forstwirtschaft. Diese Initiative basiert allerdings auf Konzepten der Pflanzenölbranche selbst und weniger auf Anreizprogrammen der Bundespolitik.

MKS lobt Biomethan für seine gute Klimabilanz

Grafik MKS 2013 Klimabilanz Kraftstoffe Auszug MKS 2013 (Seite 69): Gasfahrzeuge zeigen insbesondere dann eine niedrige Treibhausgas-Bilanz über die gesamte Kette, wenn Biomethan aus Abfallstoffen eingesetzt wird. Die Bundesregierung begrüßt das Ziel der Industrie, zur Erhöhung des Anteils an erneuerbarem Methan (insbesondere aus Reststoffen) im Erdgas-Kraftstoff auf durchschnittlich mindestens 20 Prozent bis 2020. Die gesetzlich festgelegten Förderungsinstrumente bilden einen guten Rahmen zur Erreichbarkeit dieses Ziels. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen ergriffen werden können, damit das bestehende Angebot an Biomethan stärker durch im Ausland hergestelltes Biomethan ergänzt werden kann.

Hier finden Sie weitere Informationen zu den Zielen der Bundesregierung zur Einspeisung von Biomethan ins Erdgasnetz bis 2020.

Download MKS

Die vollständige MKS 2013 der Bundesregierung

Hier können Sie die im Juni 2013 beschlossene Mobilitäts und Kraftstoffstrategie als PDF herunterladen
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Reaktionen von Bioenergie-Verbänden zur MKS 2013

Die Bioenergie-Verbände haben auf die Mobilitäts und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung nicht euphorisch, aber großenteils positiv reagiert. Abhängig von ihren Schwerpunkten sehen die Verbände neue Chancen für die weitere Entwicklung der gasförmigen und flüssigen Bioenergie in Deutschland.

Stellungnahme des Biogasrat+ zur MKS 2013

Statements von Reinhard Schultz, Geschäftsführer des Biogasrat+ e.V.:

  • „Wir sind froh, dass der Kabinettsbeschluss einen deutlichen Schwerpunkt auf Erdgas- und Bioerdgasmobilität legt. Die Bereitschaft wichtiger Unternehmen der Automobilindustrie, mit attraktiven Modellen und einem offensiven Marketing diesen Weg zu gehen, ist deutlich ausgeprägter als vor zehn Jahren. Unterstützung beim Aufbau der Tankinfrastruktur ist jedoch dringend erforderlich.
  • „Die Europäische Kommission hat sich mit ihrem jüngsten Vorschlag für den Aufbau einer alternativen Infrastruktur (COM/2013/18) klar zu sauberen und nachhaltigen Lösungen bekannt. Wir erwarten eine zügige Umsetzung in Deutschland“

Durchweg positiv sieht der Biogasrat+ den MKS-Prozess selbst. „Durch das Dialogkonzept wurde jedem Stakeholder die Möglichkeit gegeben, seine Position zu präsentieren und argumentativ zu unterlegen.“ Das habe im Ergebnis dazu geführt, dass nahezu alle Beteiligten die großen Potenziale von Biomethan als Kraftstoff anerkannt haben. Im letzten Jahr ist dabei auch klar geworden, dass die Politik zwar die Richtung vorgibt, die Ausgestaltung allerdings bewusst den Marktakteuren überlassen werden soll.

Stellungnahme des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie zur MKS 2013

  • „Die jetzt veröffentlichte Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung ist ein sinnvoller erster Schritt hin zu einer strategischen Neuausrichtung der Mobilität in Deutschland“ sagt Elmar Baumann, Geschäftsführer des VDB
  • Die große Bedeutung von Biokraftstoffen werde in dem Papier jedoch nicht ausreichend berücksichtigt. „Nachhaltig produzierte Biokraftstoffe sind auf absehbare Zeit die einzige in größerem Umfang vorhandene Alternative zu den immer umweltschädlicheren fossilen Kraftstoffen“
  • In der Strategie wird die Biokraftstoffnutzung infrage gestellt, weil indirekte Landnutzungsänderungen (iLUC) und die damit einhergehenden Treibhausgasemissionen angeblich durch Biodiesel und Bioethanol verursacht würden.

Stellungnahme Fachverband Biogas zur MKS 2013

Statements von Claudio da Costa Gomez, Geschäftsführer des Fachverbands Biogas e.V.:

  • „Wir freuen uns, dass gasförmige Kraftstoffe und insbesondere das zu Biomethan mit Erdgasqualität aufbereitete Biogas in ihrer hohen Bedeutung für den Umstieg auf Erneuerbare Energien im Verkehrssektor hervorgehoben worden sind“
  • „Der Fachverband Biogas begrüßt, dass eine Senkung der Erdgas-Netznutzungsentgelte für Erdgastankstellen als Prüfauftrag in der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie enthalten ist.“
  • „Nur über ein gut ausgebautes Erdgastankstellennetz können wir auch den Markt für Biomethan als Kraftstoff weiter voranbringen. Derzeit bietet bereits ein Drittel der 915 Erdgastankstellen in Deutschland Biomethan in unterschiedlichen Beimischungsanteilen an, 150 davon sogar 100 Prozent Biomethan“

Weitere Informationen zur Förderung von Bioerdgas im Verkehrssektor gibt es im Artikel zur Initiative Erdgasmobilität.

Bioenergie-Fazit zur Mobilitäts und Kraftstoffstrategie 2013

Die goldene Zeit der erneuerbaren Energieträger im Kraftstoffmarkt scheint noch nicht wirklich gekommen zu sein. Die Preise für fossile Kraftstoffe und der Klimawandel belasten die Kunden des Kraftstoffmarkts scheinbar noch nicht genug. Vor allem beim zweiten Punkt fehlt vielen Verbrauchern aber häufig auch das Bewusstsein für die Bedeutung einer ganzheitlichen Energiewende, die  nicht nur den Strommarkt, sondern auch den Kraftstoffmarkt und den Wärmemarkt betrifft. Hier ist noch einiges an Aufklärungsarbeit notwendig.

Und bei dem aktuellen Image von Biokraftstoffen überrascht es wenig, dass sich Politiker zum Thema Bioenergie so verhalten ausdrücken. Vielleicht kann die Bioenergie-Branche für die vorliegende MKS sogar dankbar sein. Die MKS hätte die Branche auch härter treffen können.  Von diesem weiteren Rückschlag ist man immerhin verschont geblieben! Sehr positiv formuliert kann man das Strategiepapier sogar als erfreulichen Wendepunkt in der politischen Unterstützung der Bioenergie im Kraftstoffmarkt interpretieren. Zumindest Biomethan scheint sich spätestens mit der MKS 2013 als Biokraftstoff etabliert zu haben und ist nicht mehr nur in einem Nebensatz erwähnt.

Als wichtigste Lektion entnehme ich der beschlossenen Strategie, dass sich Biokraftstoffe stärker auf Teilmärkte der Verkehrssektors (Luftfahrt, Schifffahrt) konzentrieren sollten. In diesen weniger hart umkämpften Märkte scheint eine Marktakzeptanz leichter zu erreichen. Außerdem machen Hersteller von Biosprit in Deutschland nichts verkehrt, wenn sie der Treibhausgasminderung ihres Produkts eine hohe Priorität einräumen.

Was denken Sie über die beschlossene Mobilitäts und Klimastrategie?

1 Kommentar zu „MKS: Mobilitäts und Kraftstoffstrategie gibt der Bioenergie Raum“

  1. Christoph Müller

    „Biosprit“ bedeutet doch nichts Anderes, als Erdöl gegen Biomasse einfach auszutauschen. Das ist viel zu kurz gedacht und löst angesichts des daraus folgenden Flächenbedarfs kaum Probleme. Was wir brauchen, ist ein integriertes Energie- und Verkehrssystem wie das Astrail-Konzept http://www.astrail.de/astrailh.htm. Die Verbrennungsprozesse werden damit stationär und damit wird die freiwerdende Wärme nutzbar (jetzt wird 80% der Energie sinnlos durch Kühler, Auspuff und Bremsen gejagt). Mit dem Astrail-Konzept wird auch dafür gesorgt, dass bevorzugt nicht lagerbare Energiequellen wie Sonne, Wind, Wasser usw. zum Einsatz kommen. NUR wenn diese Energieformen nicht ausreichen, wird auf Energiespeicher – dazu gehört auch Biosprit – zurückgegriffen. Und dann auch nur Wärmenutzung. DANN reicht die Fläche nämlich. Mit der aktuellen Vorgehensweise reicht sie nicht.

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