Kraftstoff aus Algen besteht ersten Testflug in der zivilen Luftfahrt

Im Luftraum zwischen Houston und Chicago wurde in der vergangenen Woche Fluggeschichte geschrieben. Das Wettrennen mehrerer US-Airlines in den letzten Tagen hat auch den ersten Linienflug mit einem Kraftstoff aus Algen hervorgebracht. Eine Sternstunde für einen innovativen Biokraftstoff, dessen erfolgreiche Einsetzung viele Fachleute erst viel weiter in der Zukunft auf dem Schirm hatten. Solazyme und United Continental wagen den ersten großen Wurf und verhelfen dem Algenkraftstoff und Energie aus Algen allgemein zum Sprung aus den Tiefen der Forschung in die Höhen der Anwendung.

Algenkraftstoff auf dem Weg nach oben

In dem Artikel „Biodiesel aus Algen und Jatropha erobern die Luftfahrt“ aus dem Dezember des vergangenen Jahres ging es noch hauptsächlich um Forschungsprojekte für Kraftstoffe aus Algen. Das Gemeinschaftsprojekt von Solazyme und United Continental macht es ein Jahr später möglich und verbindet die Bioenergie der 3.Generation (Algenkraftstoff) mit der praktischen Anwendung in der Flugzeugbranche im Hier und Jetzt.

Damit ist der erste Beweis vollzogen, dass Kraftstoffe aus Algen für den Einsatz im regulären Flugbetrieb und der aktuellen Turbinentechnologie geeignet sind. So versichern auch die Projektingenieure von United Continental, dass keine Änderungen an der Flugzeugmaschinerie nötig waren, um dem Algenkraftstoff seinen Jungfernflug zu ermöglichen.

Eine interessante und irgendwie auch amüsante Randbemerkung in der Pressemitteilung zum Jungfernflug mit Kraftstoff aus Algen war, dass „die Passagiere während des Flugs keine Unterschiede sehen, hören oder fühlen werden“. Das Vertrauen für den Einsatz von Algenkraftstoff in der komplexen Flugzeugtechnologie wird hoffentlich rasch wachsen.

Der verwendete Algenkraftstoff Solajet™ wurde von dem US-Unternehmen Solazyme entwickelt. Den Angaben des Unternehmens zur Folge wurde der flüssige Energieträger für einen ähnlichen Preis an die United Continental verkauft, der auch für die Energie aus fossilen Kraftstoffen hätte bezahlt werden müssen. Im Zuge ihrer „Eco-Skies“ Initiative zur Reduktion von Treibhausgasen absolviert United Continental also ab sofort auch Flüge mit 60 % klassischem Jet Fuel und einer Beimischung von 40% Algenkraftstoff.

Hier finden Sie noch einen vertiefenden Artikel zu den Veränderungen der Luftfahrt durch Algen- und andere Biokraftstoffe in den USA. In dem Artikel im The Guardian wird auch auf den Einsatz von Energieträgern wie Speiseöl und Jatropha durch amerikanische Airlines eingegangen.

Solazyme | Eine US-amerikanische Erfolgsgeschichte mit Energie aus Algen

Der wirtschaftliche Erfolg einer neuen Technologie ist letztlich nicht möglich ohne Unternehmen und Unternehmer die an das innovative Konzept glauben, in dieses investieren und sich mit ganzer Leidenschaft für die Umsetzung ihres Traums einsetzen. Einen aktuell sehr erfolgreichen „amerikanischen Traum“ möchte ich deshalb kurz vorstellen.

Erst im Jahr 2003 gegründet ist Solazyme mittlerweile einer der weltweit führenden Entwickler und Hersteller von Kraftstoffen aus Algen. Der Geschäftsbereich von Solazyme konzentriert sich hauptsächlich auf die Herstellung von Pflanzenöl aus Mikroalgen mit Hilfe der „indirekten Photosynthese“. Das Algenöl kann anschließend in weiteren Verfahrensschritten für die stoffliche oder energetische Nutzung aufbereitet werden. Besonders erfolgreich ist das Unternehmen dabei aktuell mit seinen Konzepten zur Gewinnung von Energie aus Algen.

Das Inc. Magazin wählt jedes Jahr die 5.000 am schnellsten wachsenden Unternehmen der USA. Im Jahr 2011 hat sich Solazyme mit der Entwicklung von Algenkraftstoffen den 2. Platz (!) in dieser ambitionierten Gesellschaft sichern können und gehört zu den 11 Unternehmen die ein 3-Jahreswachstum von 10% oder mehr (Solazyme = + 20%) aufweisen konnten. Das ist noch nicht zwangsläufig ein Qualitätsmerkmal, aber mindestens ein starkes Statement.

Auch im teilweise hart umkämpften US-Biokraftstoffmarkt allgemein genießt Solazyme ein hohes Ansehen und gehört zu den innovativsten seiner Zunft. Der meistgelesene Blog zu Biokraftstoffen weltweit ist der Biofuels Digest. Eine internationalen Jury und die 50.000 monatlichen Leser des Blogs wählen jedes Jahr die 50 heißesten Unternehmen der Bioenergiebranche („50 hottest companies“). Für den Zeitraum 2011 – 2012 wurden erst vor 2 Tagen die Gewinner bekanntgegeben. Wen überrascht es, dass Solazyme auch hier den 1. Platz erhalten hat?!

Zu welchen Anteilen gutes Marketing und ein wirklich herausragendes Konzept für diesen Siegeszug von Solazyme verantwortlich sind, mag ich nicht zu beantworten. Ich drücke in jedem Fall die Daumen, dass wir noch viel von den Algenkraftstoffen des Unternehmens hören werden.

Hier eine Auflistung von Unternehmen und Instituten die sich der Erzeugung von Energie aus Algen in Deutschland verschrieben haben und schon in einem älteren Artikel vorgestellt wurden.

Wieviel Zeit werden Kraftstoffe aus Algen noch benötigen?

Viele Innovationen werden meistens so lange von Kritikern angezweifelt und für nicht machbar erklärt, bis sie das Gegenteil bewiesen haben. Ich kann mich an einige Artikel erinnern, in denen Kraftstoffe aus Algen für den Einsatz in der Luftfahrt zwar für theoretisch machbar erklärt, aber deren großtechnische Anwendung erst für 2030+ prognostiziert wurde.

Wir haben nun immerhin erste Testflüge in einem Linienflugzeug mit einem 40%-igen Anteil eines Algenkraftstoffs. Trotzdem haben die Kritiker insofern Recht, dass wir deshalb noch nicht von einem GROSSTECHNISCHEN Durchbruch sprechen können. Dieser wird bei aller Euphorie sicher noch einige Jahre in Anspruch nehmen.

Vor allem die Produktionskapazitäten und die Herstellungskosten für Algenkraftstoffe sind aktuell noch ein Hemmnis für den großtechnischen Einsatz im Flugverkehr. So plant das Unternehmen Solazyme eine Jahresproduktion von jährlich 80 Millionen Litern Solajet™ im Jahr 2014 zu erreichen. Allein die Lufthansa verbraucht aber pro Tag rund 27 Millionen Liter Kerosin. Auch die Kosten für Kraftstoffe aus Algen werden in den unterschiedlichen Quellen teilweise bis zu 6x höher angegeben als für fossile Kraftstoffe. Die Lufthansa bezahlt schon heute 6 Mrd. Euro im Jahr um den eigenen Kraftstoffbedarf mit fossiler Energie decken zu können.

Aber aller Anfang ist schwer und der Beweis über die Funktionstüchtigkeit von Kraftstoff aus Algen in aktuellen Flugzeugturbinen war ein wichtiger Schritt, um das nötige Vertrauen für große Investitionen in Produktionskapazitäten zu gewinnen.

Übersicht zu Algen und Energie
Die Gewinnung von Energie aus Algen gewinnt an Struktur.

Kraftstoff aus Algen kann europäische Luftfahrt beim Erreichen der Emissionsziele unterstützen

In diesem Jahr wurden bereits viele Schritte auf fast allen Kontinenten unternommen, um die Einführung von Biokraftstoffen in der Luftfahrt zu beschleunigen. So haben Airlines in Asien, Europa und Nordamerika Testflüge mit Biokraftstoffen durchgeführt.

Zumindest in Europa fallen diese Errungenschaften sicher nicht ganz zufällig in das Jahr 2011. Ab 2012 möchte Europa seine Bemühungen zum Klimaschutz noch ambitionierter angehen und unterzieht auch die europäische Luftfahrt den Vorgaben des EU-Emissionshandels.

Die deutsche Lufthansa AG nimmt hierbei meines Wissens eine Vorreiterrolle für die Einführung von Biokraftstoffen in Europa ein. Sie fliegt noch bis Ende des Jahres und 4x pro Tag die Strecke Hamburg-Frankfurt mit einem Bio-Kerosin. Weitere Informationen finden Sie in dem Artikel über die Auswirkungen des ab 2012 geänderten EU-Emissionshandels und die Chancen für Biokraftstoffe.

Die Vorteile von Biokraftstoffen aus Algen sind nicht nur in geringeren Kosten beim Emissionshandel zu finden. Auch die Tatsache, dass Algenkraftstoffe weder von den Debatten zu Tank-oder-Teller, der Regenwaldabholung und nur eingeschränkt durch ILUC betroffen sind, sprechen für ein zunehmendes Interesse durch europäische Airlines nach dem emissionsarmen Kraftstoff aus Algen.

„Letzter Tropfen Erdöl wird wohl in einer Flugzeugturbine verbrannt“

Einem Interview mit Holger Kuhn zur Folge ist die Aussage „der letzte Tropfen Erdöl wird wohl in einer Flugzeugturbine verbrannt“ schon zu einem Mantra in der Luftfahrtbranche geworden. Das Statement zeigt, in welchem problematischen Abhängigkeitsverhältnis sich der Flugverkehr zum Erdöl befindet. Wenn man an den Einsatz von Biokraftstoffen denkt, sollte man vielleicht sagen „noch befindet“.

Hier können Sie den gesamten Artikel „Lufthansa fliegt mit Pflanzenöl und Schlachtabfällen“ lesen, welcher am 6.11.2011 im Handelsblatt erschienen ist.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.