Wie in den vergangenen Jahren hat der Bundesverband Bioenergie e.V. auch in diesem Jahr wieder einen parlamentarischen Abend arrangiert, um den Plänen der Bundespolitik auf den Zahn zu fühlen. Zur Abendveranstaltung in der ungarischen Botschaft kamen Vertreter aller 5 Parteien und haben ihre Sicht auf die gasförmige, flüssige und feste Bioenergie vorgestellt. Die Frage des Abends lautete: Welche Visionen zum Einsatz der Bioenergie im Strom-, Wärme- und Kraftstoffmarkt haben die Bundestagsparteien? Was es zum Aufeinandertreffen der Bundespolitik mit der Bioenergiebranche zu berichten gibt, wird in einer kleinen Artikelreihe vorgestellt? Wir starten mit der Bioenergie im Strommarkt.
5 Matadore ringen mit dem Wesen der Bioenergie
Da heute in 4 Monaten bereits die Bundestagswahl ansteht, war der Charakter des traditionellen Events noch stärker eine Wahlkampfveranstaltung als man es vom Aufeinandertreffen von Volksvertretern ohnehin gewohnt ist. Ich finde das „Gut so“, denn die Bioenergie kann aktuell jedes leidenschaftliche Engagement gut gebrauchen! Zum Zweiten war es ein sehr fair ausgetragener Wahlkampf, der sich größtenteils in den Dienst der Bioenergie-Debatte gestellt hat. Während ich beim letzten parlamentarischen Abend zur Bioenergie etwas enttäuscht von den vielfach sehr vorsichtigen Stellungnahmen (Ausnahme Hans-Josef Fell!) der Bundestagsabgeordneten gewesen bin, stimmt mich mein diesjähriger Eindruck deutlich optimistischer.
„Ohne Bioenergie hätten wir einen Anteil von 4.8 Prozent an erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch in Deutschland und mit ihr haben wir 12.3 Prozent.“
Helmut Lamp, Vorstandsvorsitzender des BBE
Folgende 5 Mitglieder des Bundestags waren in diesem Jahr anwesend und haben ihre Meinung zur Bioenergie im Strommarkt vertreten:
- Dr. Georg Nüsslein, CSU | Diplomkaufmann | Direkt gewählt im Wahlkreis Neu-Ulm
- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Ausschuss für Wirtschaft und Technologie; Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung
- Michael Kauch, FDP | Diplom-Volkswirt | Gewählt über die Landesliste Nordrhein-Westfalen
- Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung (Obmann); Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- Dirk Becker, SPD | Diplom-Verwaltungswirt | Direkt gewählt im Wahlkreis Lippe 1
- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
- Hans-Josef Fell, Bündnis 90/ Die Grüne | Gymnasiallehrer | Gewählt über die Landesliste Bayern
- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Ausschuss für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung
- Ralph Lenkert, Die Linke | Werkzeugmacher, Staatlich geprüfter Techniker für Maschinenbau | Direkt gewählt im Wahlkreis Gera
- Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung; Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Während der 10 minütigen Präsentationen der Abgeordneten wurden die drei Einsatzbereiche der Bioenergie (Strommarkt, Kraftstoffmarkt, Wärmemarkt) und die jeweiligen Bioenergieträger besprochen. In diesem Artikel liegt der Fokus auf der Nutzung von Biogas und Biomethan im Strommarkt.
Strommarkt | Gasförmige Bioenergie | Biogas und Biomethan
„Eine Novelle des EEG darf nur in Kombination mit einem neuen Marktdesign erstellt werden“
Dirk Becker, SPD
Spätestens seit der Herausnahme von Pflanzenöl aus dem EEG 2012 konzentriert sich das Thema Bioenergie im Strommarkt auf die gasförmigen Bioenergie und deren Bioenergieträger Biogas und Biomethan. Aber auch die Mitverbrennung fester Biomasse in Biomasseheizkraftwerken (BMHKW) trägt zur elektrischen Nutzung der Bioenergie bei.
Das zentrale Instrument und die Grundlage für die Erfolgsgeschichte der Bioenergie im Stromsektor ist die Förderung über das EEG. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist im Jahr 2000 aus dem Stromeinspeisegesetz hervorgegangen, welches 1991 unter Helmut Kohl von der schwarz-gelben Regierung verabschiedet wurde. Im spannenden Zeit-Artikel „Das unterschätze Gesetz“ (September 2006) werden die politischen Ursprünge der Förderung erneuerbaren Energien in Deutschland zusammengefasst.
Auch 13 Jahre nach Inkrafttreten des EEG ist die Entwicklung der Bioenergie im Strommarkt noch eng mit dem Gesetz verknüpft. Zwar gibt es mittlerweile eine starke Alternative in Form derDirektvermarktung von Biogasstrom, aber der Großteil der Bestandsanlagen lebt weiterhin von der Einspeisevergütung über das EEG.
„Angriff auf Bestandsanlagen war der Sündenfall und hängt wie ein Damoklesschwert über der gesamten Erneuerbaren-Branche“
Hans-Josef Fell, Bündnis 90/ Die Grünen
Spätestens seit der Strompreisbremse, die für Herrn Lamp vor allem eine Bioenergiebremse war, weiß die Branche, dass sie sich auch nach Alternativen zum EEG umschauen muss. Der Gipfel der Debatte um die Strompreisbremse war für viele Anlagenbetreiber der Vorschlag, dass auch die Förderung von Bestandsanlagen reduziert werden könnte. Dieses Thema ist erfreulicherweise vom Tisch, was den Volksvertretern zur Folge dem Engagement von CSU und FDP zu verdanken ist.
Most Wanted: Neues Marktdesign für den Strommarkt
Der parlamentarische Abend hat gezeigt, dass auch die Bundestagsparteien nach der zukunftsfähigsten Möglichkeit zur Förderung der Bioenergie im Strommarkt suchen. Seit einigen Monaten wird dabei immer intensiver über ein neues Marktdesign für den Strommarkt diskutiert.
„Aus einem Markteinführungsinstrument muss ein Marktdurchdringungsinstrument werden.“
Dr. Georg Nüßlein, CSU
Ein Statement zum neuen Marktdesign kam von Dr. Nüsslein, der die Einführung eines Leistungsmarkts für Strom unterstützt. Konkreter wurde er in seiner begrenzten Redezeit vorerst nicht. Allerdings sagte der CSU-Vertreter kritisch: „Wenn man auf den Markt setzt und der Markt dann ein Ergebnis liefert, welches einem nicht passt, dann kann man nicht einfach den Markt korrigieren wollen.“ Michael Kauch von der FDP äußerte sich so, dass er Anreizmodelle für die Nachfrageseite bevorzugt.
Ansätze für mögliche und aktuell diskutierte Marktdesigns für den Strommarkt (Kapazitätsmärkte, Leistungsmärkte etc.) werden über den Sommer weiter ausgearbeitet und analysiert. Über die Ergebnisse dieser Debatte und deren Auswirkungen auf die Bioenergiebranche wird auch auf BiomassMuse zu lesen sein.
Eine Anregung mehrerer Volksvertreter war aber auch, dass man sich beim Thema Bioenergie nicht nur auf den Strommarkt konzentrieren dürfe, sondern auch den Wärme- und Mobilitätssektor einbeziehen müsse. Für Bioenergie-Enthusiasten ist diese Anregung ein alter Hut und gleicht bereits einem Branchen-Mantra, welches seit Jahren stoisch wiederholt wird. Trotzdem bleibt es ein wichtiger Entwicklungsvorschlag, auf den nun konkrete politische Maßnahmen folgen müssen.
Bioenergie in Ungarn
Abschließend noch einige Worte zur Bioenergie in Ungarn. Immerhin war die Ungarische Botschaftder Austragungsort des diesjährigen parlamentarischen Abends zur Bioenergie und ein besonderer Dank geht deshalb an die Republik Ungarn.
Ungarn verfügt den Aussagen des ungarischen Staatssekretärs János Bencsik entsprechend nur über wenige fossile Energieträger. Zwei Drittel des ungarischen Strombedarfs werden notgedrungen durch Stromimporte abgedeckt. Deshalb möchte Ungarn beim Einsatz erneuerbarer Energien eine Vorreiterrolle einnehmen. 2011 hat sich das Land das Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2020 ein Anteil von 14.7 Prozent des Bruttoenergieverbrauchs durch erneuerbare Energien abgedeckt wird. Aktuell liegt der Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch bei etwa 9 Prozent.
Der Status Quo der Bioenergie in Ungarn ist der Folgende:
- 11 Biomasseheizkraftwerke mit 281 MM
- 31 Biogasanlagen mit 31 MW (18 weitere Biogasanlagen befinden sich im Bau)
- 14 Deponiegasanlagen mit 8.5 MW
- 8 Klärgasanlagen mit einer Kapazität von 11 MW
Bioenergie im Kraftstoffmarkt und Wärmemarkt
In den kommenden Tagen geht die Artikelreihe anlässlich des Parlamentarischen Abends zur Bioenergie weiter. Die Themen lauten dann:
- Bioenergie im Kraftstoffmarkt
- Bioenergie im Wärmemarkt
Abschließend zum ersten Artikel bleibt noch die Frage: Was denken Sie über die Potentiale und Risiken, mit denen die Bioenergie im Strommarkt konfrontiert ist?