Am 30.Juni wurde die lang angekündigte, dann aber doch recht zügig vollzogene Novelle zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) 2012 und einige weitere Gesetztestexte zur Energiewende vom Bundestag verabschiedet. Dafür erst mal meinen Glückwunsch. Trotzdem sind die Gesetzestexte von mehreren Verbänden aus der Branche der Erneuerbaren Energien zum Teil stark kritisiert worden. Da die Windenergie in letzter Sekunde einige einschneidende Kürzungen abwenden konnte, sieht sich vor allem der Sektor der Bioenergie als größerer Verlierer der EEG Novelle. So formuliert das zumindest einer der einflussreichsten Fachleute der Biogas-Branche in Deutschland, Josef Pellmeyer, Präsident des Fachverbandes Biogas. Welche Kritikpunkte gibt es und welche Nachteile werden durch die EEG Novell 2012 für die Biogasbranche erwartet?
Welche Kritik bezüglich der EEG Novelle gibt es von den Verbänden der Bioenergie-Branche?
Hier haben sich vor allem der Fachverband Biogas, der Bundesverband Bioenergie und bezüglich des Gesetzesentwurfs auch sehr aktiv der Biogasrat zu Wort gemeldet. Diese Aufstellung zeigt, dass hauptsächlich die gasförmige Bioenergie von der EEG Novelle betroffen ist.
Häufig wurde kritisiert, dass die EEG Novelle mit sehr heißer Nadel gestrickt wird. Natürlich kann man es als Bundesregierung nie allen Seiten Recht machen und das rasche Vorgehen war vor allem auch als eine Beschleunigung der Energiewende und dem Ausstieg aus der Atomenergie gedacht. Trotzdem konnten bei dem rasanten Tempo einige Dinge nicht zu Ende gedacht oder zumindest nicht mehr in der Formulierung des Gesetzestextes berücksichtigt werden.
Auswirkung der EEG Novelle 2012 auf die Biogas-Branche
Die vorgebrachten Kritikpunkte können hoffentlich in Nachbesserungen noch angepasst werden. Wenn nicht, dann wird die Entwicklung der gasförmigen Bioenergie in Deutschland zukünftig stärker durch folgende Vorgaben belastet werden.
Zu hohe Anforderungen bei der Wärmequote für Biogasanlagen
Laut der Stellungnahme des Fachverbandes Biogas ist die geforderte Wärmenutzung für Biogasanlagen deutlich zu hoch. Demnach soll eine Biogasanlage nur dann die Vergütungsprämie erhalten, wenn zusätzlich zur produzierten Strommenge auch 60% der anfallenden Wärme genutzt werden. Für Neuanlagen gilt jedoch eine Schonfrist für die ersten beiden Betriebsjahre, während derer nur eine 25%iger Wärmenutzung nachgewiesen werden muss.
Eine so hohe Wärmequote gefährde den weiteren Zubau von Biogasanlagen, weil das, durch die zusätzlichen Anforderungen, entstehende Risiko vielen kreditgebenden Banken zu hoch sein könnte. Ob die 2-jähirge Schonfrist ausreicht, um die Investoren zu beruhigen, muss sich zeigen. Die Finanzierung neuer Biogasprojekte dürfte zumindest nicht unbedingt erleichtert werden.
Wenn man die aktuellen Akzeptanz- und Genehmigungsprobleme für neue Biogasanlagen bedenkt, wird die Projektrealisierung zu einer starken Herausforderung werden.
Nebenbei legen die Anforderungen an die Wärmenutzung auch der Erreichung der Ziele zur Einspeisung von Biomethan weitere Steine in den Weg (Artikel zu Hemmnissen der Biomethaneinspeisung).
Obwohl die Enttäuschung über diese hohen energetischen Effizienzanforderungen für Biogasanlagen groß ist, möchte ich an dieser Stelle auf einen älteren Artikel verweisen, in dem 12 innovative Wärmenutzungskonzepte für Biogasanlagen vorgestellt werden. Wahrscheinlich muss diese Liste in Zukunft noch weit innovativer werden.
Man kann sich auch fragen, ob 60% geforderte Wärmenutzung sehr viel ist? Im Idealfall sollte natürlich alle Energie genutzt werden können, aber in der Realität ist das bei dezentralen Energieformen, zu denen ländliche Biogasanlagen gehören, nicht immer ganz einfach.
Die Problematik bekommt auch dadurch einen negativen Beigeschmack, da es solche Wärmenutzungsquoten für zentrale Kohlekraftwerke nicht gibt. Was rechtfertigt solche hohen Vorgaben also für eine Branche, die sich schon von ihrem Wesen her selbst hohe Umweltstandards auferlegt? Schwierige Problematik!
Vergütungssätze für Biogas offenbaren Kluft zwischen Theorie und Praxis
Die Bunderegierung möchte mit der Anpassung der Biogas-Vergütung (siehe Artikel Vergütungssystem im EEG 2011) der Entwicklung von Monokulturen (Mais) und stark gestiegenen Pachtpreisen für Agrarflächen entgegenwirken. Zwei Fehlentwicklungen die korrigiert werden sollen und die vor allem von Lebensmittel-Landwirten, Umweltschützern und Anwohnern kritisiert wurden.
Verständliche Ansätze also, die man auch als Biogasanlagebetreiber in einer Demokratie ertragen muss. Aber WIE genau ändert man nun die Vergütungssätze für Biogas, um auf der einen Seite die Fehlentwicklungen zu korrigieren und auf der anderen Seite nicht gleichzeitig andere Gruppen zu stark zu benachteiligen?
Schon im Vorfeld zur Novelle des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes hatte der Biogasrat deutliche Kritik an der geplanten Änderung der Vergütungssätze für gasförmige Bioenergie geäußert. Dabei wurde die gesamte Berechnung der Änderungsätze als praxisfern kritisiert und es entstand ein regelrechter Streit mit dem führenden Biomasse-Institut in Deutschland, dem DBFZ.
Das Deutsche BiomasseForschungsZentrum hat für das Bundesumweltministerium das Gutachten erstellt, in dem die Änderungsszenarien für die EEG Novelle enthalten sind. Hierbei kritisierte der Biogasrat hauptsächlich die Datengrundlage auf der das DBFZ-Gutachten basiert und welche dazu führt, dass die Fördersätze für Biogas und Biomethan nicht ausreichen.
Mit sehr deutlichen Worten äußerte sich diesbezüglich Reinhard Schultz, Geschäftsführer des Biogasrat e.V., zum Gesetzesentwurf.
“Es fehlen im Gesetzentwurf die 2 –3 ct/kWh für die Biogas- und Biomethanverstromung, die darüber entscheiden, ob es diesen Markt ab 2012 noch geben wird oder nicht.“
Das sind schon sehr mahnende Worte von Einem der die Biogas-Branche sehr gut kennt. Die komplette Pressemittelung des Biogasrats zum EEG Gesetzesentwurf gibt es hier.
Josef Pellmeyer, Präsident des Fachverbandes Biogas, bestätigte auch nach der Verabschiedung des Gesetzestextes, dass „zu niedrige Vergütungen bei der Biogaseinspeisung ins Erdgasnetz, den Umstieg auf die regenerative Stromversorgung blockieren.“
Zukünftige Verwendung von tierischen Bestandteilen gefährdet Altanlagen
Ein weiterer Kritikpunkt von Josef Pellmeyer ist, dass „zukünftig Substrate mit tierischen Bestandteilen auch in landwirtschaftlichen Anlagen mit Energiepflanzen (NawaRo-Anlagen) eingesetzt werden können. Damit werden den bestehenden reststoffvergärenden Biogasanlagen die Einsatzstoffe entzogen, weil Neuanlagen für die gleichen Substrate eine deutlich höhere Vergütung erhalten können. Damit werden Altanlagen in ihrer Existenz gefährdet und die EEG-Umlage unnötig erhöht“. Weitere Angaben finden Sie in der Stellungnahme des Fachverbandes Biogas.
Den Ansatz der Bundesregierung kann ich durchaus verstehen, da durch diese Maßnahme die Reststoffvergärung flächendeckender ermöglicht, Fahrtwege verkürzt und die Ökobilanz des Bioenergieträgers verbessert werden können. Allerdings sollte bei einer solchen Änderung ein besonderer Schutz der Bestandsanlagen berücksichtigt werden, da diese ansonsten in ihrer Existenz bedroht sein können.
Gibt es auch Vorteile für die Biogas-Branche durch die EEG Novelle 2012?
Die Pflicht von Verbänden ist, dass sie sich bestmöglich für die Interessen ihrer Branche einsetzen. Dabei muss scharfe Kritik, auch an verabschiedeten Gesetzestexten, erlaubt sein. Bei aller Kritik gab es aber glücklicherweise auch einige lobende Worte zur EEG Novelle. Folgende Punkte werden als positiv bewertet:
- Absenkung der förderfähigen Biogasanlagengröße von ehemals 150 kW und der Schaffung einer neuen Vergütungsklasse bis 75 kW. Durch diese Änderung können nun auch neue „Mini-Anlagen“ unterstützt werden (siehe Artikel zu 75 kW Gülle-Anlagen). Diese Biogas-Kleinstanlagen müssen jedoch zu 80% auf Gülle als Inputstoff zurückgreifen. Eine schöne Entwicklung für eine dezentrale Energiequelle (!), die dazu führen könnte, dass die Anzahl an Biogasanlagen in Deutschland weiter steigt.
- Es wird eine Flexibilitätsprämie für die Errichtung von Speicherkapazitäten eingeführt. Damit soll die Stellung der Bioenergie als Regelenergie stärker gefördert werden und zu einem effizienten Strom-Mix aus Erneuerbaren Energien beitragen.
- Außerdem gibt es die Flexibilitätsprämie nun doch auch für Bestandsanlagen. Die Errichtung von Biogasspeichern und zusätzliche Motorkapazitäten (Generatoren) werden demnach auch für Altanlagen genehmigt. Diese Förderung ist allerdings auf Anlagen beschränkt, die bereit sind in die Direktvermarktung zu wechseln. Mehr Informationen zur Direktvermarktung, Marktprämie und Flexibiliätsprämie finden Sie hier.
- Die neu eingeführte Markprämie wird demjenigen Biogasanlagen-Betreiber gezahlt, der seinen produzierten Biogasstrom selbst vermarktet und einen geringeren Preis als die gesicherte EEG-Vergütung erhalten würde. In diesem Fall soll der Differenz-Betrag ausgezahlt werden.
- Der Biogas-Einspeisebonus wird auf eine Kapazität von bis zu 700 Normkubikmetern Biomethan pro Stunde angehoben.
Die förderfähige Verwendung des Inputstoffs Mais auf 60% einer Biogasanlage zu begrenzen, kann meiner Meinung nach nur sehr schwer eindeutig den Vorteilen oder Nachteilen der EEG-Novelle zugeordnet werden, da diese Maßnahme sehr stark von der individuellen Perspektive abhängt.
Es bleibt zu hoffen, dass einige Feinheiten des Gesetzestextes nach längerer Prüfung noch nachgebessert werden und dass sich die Biogasbranche ansonsten als kreativ zeigt und die Änderungen gut in die bestehende Infrastruktur integrieren kann. Mittelfristig wird die Bioenergie durch die hohen Anforderungen nur immer besser und konkurrenzfähiger gegenüber den fossilen Energieträgern!
Was ist Eure Meinung zur EEG Novelle?
Als Nachtrag möchte ich auf einen sehr interessanten Artikel auf der Internetseite von „top agrar online“ hinweisen. In diesem werden die genauen Details der Vergütungsänderung auflistet und dabei auch auf die Anlagengröße und die Inputstoffe (Güllebonus, Substratvergütungsklassen etc.) eingegangen.
Hier der Link:
http://www.topagrar.com/news/EEG-Novelle-Alles-Wichtige-im-Ueberblick-410218.html
Die Beschränkung des Mais-Inputs auf 60% sehe ich als problematisch an, weil so die Pflanze mit dem höchsten Methanertrag pro ha gedeckelt wird, was einen höheren Flächenbedarf und damit eine Verstärkung der Flächenkonkurrenz Teller bzw. Trog/Steckdose bedeutet, sowie ineffizientere Anlagen mit einer schlechteren Klimabilanz. So eine Rasenmäher-Maßnahme ist viel schlechter geeignet, unerwünschte Effekte wie Mais-Monokultur zu verhindern, als das Fachrecht, in dem z.B. Fruchtfolgeanforderungen für den Maisanbau festgelegt werden könnten, die dann aber nicht nur den Energiemais, sondern auch den Futtermais betreffen würden, der ja, wie man leicht aus den Augen verliert, den Löwenanteil des Maisanbaus in Deutschland stellt.
Eine Mindestgröße für Wärmenutzung leuchtet mir viel mehr ein, da dies direkt an der Klimabilanz der Anlagen ansetzt. Ob 60% viel oder wenig ist, das ist natürlich die Frage. Man muß sich klarmachen, daß eine Anlage, die im Winter ihre gesamte Wärme an sagen wir ein benachbartes Altersheim abgibt, im Sommer nur minimale Mengen loswird, so daß die 60% schon in gefährliche Nähe rücken können, obwohl doch im Winter 100% abgesetzt werden. Dort mit saisonalen Nutzungen im Sommer nachzuhelfen, kann eine ziemlich aufwendige Sache sein – die Landwirte sind z.B. nicht unbedingt begeistert, ausgerechnet im arbeitsreichen Sommer z.B. eine Kaminholztrocknung zu betreiben, die im Winter rumsteht, während sie selbst auch rumstehen.
Vielen Dank für die sehr interessante Perspektive, von jemandem der den landwirtschaftlichen Betrieb alltäglich erlebt und die Sicht vieler Landwirte kennt.
Ich kann verstehen, dass Energiewirte, bzw. Betreiber von Biogasanlagen, die bisher gute Erfahrungen und hoffentlich auch gute Geschäfte mit Mais als Inputmaterial gemacht haben, über die Maisquote der Novelle nicht begeistert sind. Es heißt nicht umsonst „never change a running system“. Bei der manchmal noch rätselhaften Dynamik der Mikrobiologie in einem Fermenter, ist ein zu heterogener Strom an Einsatzstoffen auch mit einem größeren Risiko verbunden, dass der Gärprozess häufiger außer Kontrolle gerät.
Und vielleicht resultieren die sich ergebenden „Umstrukturierungen“ sogar (erst mal) in einer schlechteren Klimabilanz des Biogas-Systems, weil der Mais zukünftig auch in ineffizienteren Anlagen vergoren wird.
Auf der anderen Seite wird durch diese staatliche Reglementierung aber auch die Entwicklung der Biogastechnologie vorangetrieben. Not macht bekanntlich erfinderisch. Durch Forschung und Entwicklung wird die Biogas-Branche somit hoffentlich auf eine breitere Basis gestellt. Es gibt ja auch in Deutschland Alternativen für Energiepflanzen, die meines Wissens sogar höhere Mengen Biogas (zumindest pro kg Trockenmasse) produzieren als der Energiemais. Ich denke hier z.B. an die vielgepriesene Futterrrübe.
Die alternativen Energiepflanzen haben aber meist andere Probleme (Sandeintrag bei der Futterrübe), an deren Lösung nicht intensiv genug geforscht wird, solange es eine so gut funktionierende Energiepflanze wie den Mais gibt!
Ich glaube, dass der Bioenergie-Branche eine größere Flexibilität in der Pflanzenauswahl mittelfristig gut tun wird und sich durch die Abkehr von Monokulturen sowohl umwelttechnische, als auch wirtliche Vorteile ergeben werden. Das Stichwort der Fruchtfolgen für Energiepflanzen ist ja schon gefallen.
Für die Biogasanlagen, die bis 2012 noch 100% Mais verwenden, ist es aber mit Sicherheit eine bittere Pille. Tun wir also alle unser Bestes, um diese (Weiter?!)Entwicklung der Branche zu bewältigen
Übrigens ist Agroblogger.de ein wirklich schöner Blog!
Eine Änderung musste kommen. Die steigenden Pachtpreise für Flächen hätten auf dauer die Lebensmittel – Landwirte kaputt gemacht! So eine große BGA hat das Risiko der steigenden Substrat Kosten dies umgehe ich mit einer reinen Gülle Anlage.
Neben dem Maisanbau störte auch unsere Politiker die weiten Transporte!
Hier finden Sie den Link zur Stellungnahme des Bundesverbands Bioenergie e.V. zum EEG 2012. Das in Vorfeld zur EEG Novelle 2012 veröffentlichte Positionspapier zeigt die Änderungswünsche an das EEG, welche der BBE für einen nachhaltigen Ausbau der Bioenergie für nötig hält.
Hierbei wird auch im Detail auf die einzelnen Anpassungsvorschläge eingegangen. Eine interessante Lektüre für alle, die tiefer in die politische Debatte einsteigen oder sich aktiv an ihr beteiligen möchten.
Außerdem finden Sie hier eine Stellungnahme des BBE als Reaktion zum veröffentlichten Gesetzesentwurf für das EEG 2012.
Persönlich empfehlen möchte ich Ihnen den 20 minütigen Vortrag von Helmut Lamp zur Bekanntgabe der Änderungswünsche für die EEG Novelle 2012. Wie Sie vermutlich wissen, ist Herr Lamp Vorstandsvorsitzender des BBE. Außerdem ist er „Bauer“ (wie er selbst von sich sagt) und ist seit 42 Jahren als Landwirt tätig. Ein 20 minütiger Vortrag zur Bioenergie, der nicht nur interessant, sondern auch unterhaltend und eine Spur visionär ist. Aber sehen Sie selbst.