Strategiepapier zur Substitution von Superbenzin durch Bioethanol

Vor allem die Autofahrer können sich bestimmt noch an die Erhöhung des Biokraftstoffanteils im Superbenzin von 5 auf 10 Prozent erinnern. Wahrscheinlich muss man auf einer Ölplattform oder in einer Erdölraffinerie arbeiten, um der missglückten Startphase bei der Einführung von E10 in Deutschland auch irgendetwas Positives abgewinnen zu können. Die Biokraftstoffbranche hat jedenfalls Lehrgeld bezahlt und aus der Markteinführung des neuen Kraftstoffgemischs sicher viel gelernt. Mittlerweile hat sich die Einstellung zum Kraftstoff E10 verbessert und die Sorge vieler Autofahrer um Motorschäden hat sich glücklicherweise nicht in der Praxis bestätigt.

Das Lesen des Strategiepapiers, aus dem auch der an diesen Abschnitt folgende Text stammt, hat mich deshalb sehr gefreut. Das an der Universität Hohenheim und der Fachhochschule Münster entwickelte und am 23. Juli veröffentlichte Papier für eine weitere Erhöhung des Bioethanol-Anteils in Deutschland und der Europäischen Union zeigt, dass sich das Fahrwasser für Biokraftstoffe beruhigt hat und wir uns wieder in einer konstruktiveren Atmosphäre Richtung Energiewende im Transportsektor befinden.

Strategiepapier für die Stärkung von Bioethanol

Derzeit werden mehr als 90 % der Kraftstoffe von den Mitgliedsländern der Europäischen Union importiert. In Deutschland beträgt der Anteil mehr als 93 %. Die Abhängigkeit und somit die Verletzbarkeit insbesondere der Industrienation Deutschland ist sehr hoch, zumal Deutschland nicht über nationale Ölgesellschaften verfügt und somit keinen gesicherten Zugang zu Ölquellen hat. Vor diesem Hintergrund ist es geboten, eine Strategie zu entwickeln, die diese Abhängigkeit Deutschlands sowie der europäischen Union insgesamt schnell und dauerhaft verringert.

Mit Bezug auf Bioethanol führt die Verringerung der Abhängigkeit über drei unabhängig voneinander zu beschreitende Wege:

  1. Erhöhung des Ethanolanteiles im Superbenzin von 10 % (E 10) auf 20 % (E 20)
  2. Ausbau und Stärkung des E 85-Anteiles
  3. Stärkung der dezentralen Bioethanolproduktion

Die vorliegend beschriebenen Wege müssen durch eine Informations- und Aufklärungskampagne gestützt und begleitet werden, da die Kenntnisse zur Produktion und zur Nutzung von Biokraftstoffen in breiten Kreisen der Bevölkerung nach wie vor unzureichend sind und häufig auf unrichtigen Annahmen beruhen.

Nachfolgend eine kurze Erläuterung zu den zu beschreitenden Wegen.

Erhöhung des Ethanolanteiles im Superbenzin von 10 % (E 10) auf 20 % (E 20)

Alle Fahrzeuge, die mit E 10 fahren können, sind grundsätzlich auch für E 20 geeignet. Die Einführung von E 20 als Standard-Superkraftstoff, wie in Brasilien seit Jahrzehnten üblich, ist innerhalb der europäischen Union konsensfähig.

Die Automobilindustrie verfügt über weitreichende Erfahrung mit dem E 10-Kraftstoff. Ottokraftstoff mit einem Bioethanolanteil von 10 % kann neben Deutschland derzeit beispielsweise in den USA, Frankreich, Finnland, Australien, China, Südafrika, Schweden, Aserbaidschan, Österreich, Schweiz und Thailand genutzt werden. Sowohl die deutsche Automobilindustrie als auch die Importeure verfügen auf internationalen Märkten somit über eine langjährige Erfahrung mit ethanolhaltigem Kraftstoff. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) unterstrich dies im Rahmen des Benzingipfels und in einer Erklärung ihrer Entwicklungsvorstände.

Die USA hat im vergangenen Winter E 15 freigegeben. In Brasilien werden zudem Kraftstoffe mit weitaus höheren Bioethanolanteilen genutzt, in der Regel E 20 bis E 25 bis hin zu E 100. Negative Erfahrungen, die auf den Kraftstoff E10 zurückzuführen sind, sind nicht bekannt. Auch der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) hat bekannt gegeben, dass keinerlei Schäden durch E 10 zu verzeichnen sind.

Technische Probleme sind daher durch die Einführung von E 20 nicht zu erwarten.

Die erforderlichen Ethanolmengen sind ebenfalls grundsätzlich verfügbar.

Der Einsatz von Bioethanol führt zu einer tatsächlichen CO2-Minderung (nachgewiesene Nachhaltigkeitskriterien) von 40 – 90 % gegenüber dem fossilen Referenzwert. Daher macht der flächendeckende Einsatz, auch für die Umwelt, Sinn.

Ausbau und Stärkung des E 85-Anteiles

Da die Nachhaltigkeitskriterien bei der Herstellung von Bioethanol greifen und auf diese Weise eine erhebliche CO2-Reduzierung erreicht wird, muss es neben der Beimischung auch einen Reinkraftstoffsektor geben, um die Abhängigkeit vom Erdöl schneller zu verringern.

Um dies zu erreichen ist eine Verlängerung der Steuerbefreiung auf den Ethanolanteil über das Jahr 2015 hinaus, zunächst bis 2023, erforderlich. Bei weiter steigenden Kraftstoffpreisen wird Bioethanol im Vergleich zu Ottokraftstoff kostengünstiger und die Steuerbefreiung kann reduziert, bzw. aufgehoben werden.

Darüber hinaus muss es ein Anreizsystem und eine vereinfachte und mindestens bundesweit gleiche Regelung für die Umrüstung von Tankstellen geben. Beispiele aus Brasilien, den USA, Frankreich und Schweden zeigen, dass ein flächendeckendes Angebot von E 85 zu einem erhöhten Absatz führt.

Wenn E 85 als echte preisliche Alternative zu den herkömmlichen Kraftstoffen etabliert wird, kann die Abhängigkeit vom Erdöl deutlich verringert werden. Bei entsprechenden Angeboten werden bei den aktuell hohen Kraftstoffpreisen, Alternativen von den Endnutzern nachgefragt. Die Mobilität wird das zentrale Thema der Energiewende werden, da sie einen nahezu vollständigen Systemwechsel beinhaltet. Allein durch E-Mobilität wird dies nicht zu erreichen sein. Wir benötigen die gesamte Palette der Biokraftstoffe, um einen ernsthaften Umstieg schaffen zu können. E 85 ist in diesem Zusammenhang die derzeit sinnvollste und kostengünstigste Ergänzung. Fahrzeuge (FFV), die für E 85 geeignet sind, sind zu geringen Mehrkosten (30 – 300 €/Fahrzeug) am Markt verfügbar.

Stärkung der dezentralen Bioethanolproduktion

Die Energieversorgung der Zukunft wird wesentliche dezentrale Komponenten haben. Insbesondere bei der Produktion eines ökologisch produzierten Biokraftstoffes ist es möglich, derzeit noch bestehende dezentrale Strukturen zu nutzen, und das vorhandene Know-how zukunftsfähig einzusetzen.

Durch die kleinräumige Schließung von Stoff- und Energieströmen, kann insbesondere hier nachhaltig produziert werden. Kurze Wege vom Anbau, über die Produktion bis hin zum Absatz sind hier die strategischen Vorteile.

Bestehende Produktionseinheiten können durch Modernisierung (kontinuierlicher Betrieb, hohe Automatisierung) und die Einbindung erneuerbarer Energien (Biogastechnologie) zukunftsfähig ertüchtigt werden und somit einen regionalen und insbesondere nachhaltig produzierten Kraftstoff herstellen.

Hier sind entsprechende Investitionsanreize und vor allem Investitionssicherheiten für die landwirtschaftlichen Brennereien zu bieten. In diesem Zusammenhang könnte der Ausstieg aus dem Branntweinmonopol und die Lenkung der entsprechenden Entschädigungen genutzt werden.

Die sehr gute und zertifizierte Treibhausgasbilanz aus dezentraler Produktion zeigt, dass insbesondere durch dezentrale Bioethanolproduktion die Nachhaltigkeitskriterien weit unterboten werden. Weiterhin stehen heute Techniken zur Verfügung, die eine Bioethanolproduktion ermöglichen, ohne die Lebensmittelproduktion negativ zu beeinflussen und ohne Änderung der Agrarflächennutzung (indirect land use change – iLUC). 

Erhöhung der Akzeptanz von ethanolhaltigen Kraftstoffen bei den Endverbrauchern

Bioethanol aus deutscher und europäischer Produktion wird nachgewiesenermaßen nachhaltig produziert. Hier sind gezielte positive Kampagnen aller Beteiligten erforderlich, um das Image des Biokraftstoffes weiter zu verbessern. Insbesondere muss die Teller/Trog/Tank-Diskussion, die in weiten Teilen der Bevölkerung zu einer ablehnenden Einstellung gegen Biotreibstoff führt, in den Fokus der Aufklärung gestellt werden.

Erste positive Effekte sind z.B. der Meinungsumschwung der großen Automobilclubs sowie der kontinuierlich steigende Absatz von E 10.

Eine besondere Bedeutung kommt auch der bereits seit Jahren andauernden Preisstabilität z.B. für E 85 an der Tankstelle zu. 

Was muss geschehen?

Alle politisch Verantwortlichen in Deutschland und darüber hinaus auch in Europa sind gehalten, die o.g. Aktivitäten einzuleiten und zu begleiten, um die Weichen für eine zukunftsfähige Mobilität in Deutschland und Europa zu stellen. Wir freuen uns auf spannende und fruchtbare Diskussionen.

Hier geht’s zum Download des Strategiepapiers als PDF.

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Autoren:

Senn Prof. Dr. Christof Wetter

Fachhochschule Münster

Fachbereich Energie Gebäude Umwelt

Stegerwaldstr. 39

48565 Steinfrut

wetter@fh-muenster.de

 

PD Dr. Thomas

Universität Hohenheim Fachgruppe Gärungstechnologie

Garbenstr. 25

70599 Stuttgart

thomas.senn@uni-hohenheim.de

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4 Kommentare zu „Strategiepapier zur Substitution von Superbenzin durch Bioethanol“

  1. Achim Behrenwaldt

    Eine große ökonomische Chance sehe ich im Anbau von Zuckerrohr in den Mittelmeerländern, insbesondere in Griechenland, wo gegenwärtig 40 % der Agrarfläche brach liegen. Dort sind 80 t pro Hektar/a möglich – doppelt so viel wie Mais in Deutschland ! Aus dem Presssaft lässt sich mit simpler Kellereitechnik Alkohol und daraus Ethanol herstellen. Aus der ausgepressten Biomasse kann man mit dem KDV-Verfahren von Dr.Koch Diesel und Kerosin herstellen, und zwar mit einem enormen Wirkungsgrad (ca. 400 Liter aus 1000 Kg). Das ist sogar ohne Subvention wirtschaftlich!

  2. Anbau von Zuckerrohr in den Mittelmeer-Anrainerstaaten?! Das höre ich offen gesagt das erste Mal. Finde ich sehr faszinierend, welche neuen Anbaukonzepte aktuell geprüft werden. Vor allem kann aus Zuckerrohr sowohl Bioethanol der ersten, als auch der zweiten Generation (Bagasse –> Zellulose-Ethanol) gewonnen werden.

    Die Herstellung von Zuckerrohr-Ethanol innerhalb Europas hätte ich bisher nicht für möglich gehalten – zumindest nicht unter betriebswirtschaftlich akzeptablen Bedingungen. Wenn es tatsächlich möglich ist, einen Ertrag um die 80 t/ ha am Mittelmeer zu erreichen, dann halte ich das für ein sehr interessantes Konzept für brachliegende Flächen! Zuckerrohr-Ethanol hat innerhalb der Familie der Biokraftstoffe immerhin auch eine herausragend gute Klimabilanz und in Europa hat man zusätzlich den Vorteil, diese Biokraftstoffe ganz ohne Regenwaldabholzung zu garantieren.

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