Mein Besuch der 19. European Biomass Conference in Berlin

Als ich mir vor meinem ersten Besuch versucht habe die European Biomass Conference im Berliner ICC vorzustellen, hatte ich die volkfestähnliche Stimmung der „Grünen Woche“ im Hinterkopf. Obwohl beide Veranstaltungen auf dem Berliner Messegelände stattfanden und von teilweise den gleichen Ausstellern aus dem Bereich der nachwachsenden Rohstoffe wahrgenommen wurden, ist die EBC doch deutlich stärker eine Fachmesse und wird fast ausschließlich von Experten auf ihren jeweiligen Fachgebiet und Journalisten besucht. Enttäuscht war ich darüber aber nicht. Über meinen diesjährigen und erstmaligen Besuch bei dieser bedeutenden Veranstaltung der internationalen Biomassebranche möchte ich heute berichten.

Ausrichtung der 19. Europäischen Biomasse Konferenz in Berlin

Die European Biomass Conference gibt es schon seit 30 Jahren, aber erst seit 2007 wird sie jährlich in einer anderen europäischen Stadt veranstaltet. Das Thema der diesjährigen Konferenz lautete “From Research to Industry to Markets”, welches zeigt, als wie wichtig ein Anschub der Übertragung von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft gesehen wird.

Von den technischen Koordinatoren der Konferenz wurden folgende 4 Ziele als besonders dringlich hervorgehoben und bei der Auslegung der Konferenz berücksichtigt:

Mit Wissenschaft, Wirtschaft und Politik appelliert jedes der Ziele an verschiedene Einfluss-Dimensionen der Biomassenutzung.

10 thematische Schwerpunkte der Biomasse Konferenz

Auf der 5-tägigen Biomasse-Veranstaltung gab es mehrere Themenblöcke zu denen jeweils Vorträge gehalten und wissenschaftliche Poster gezeigt wurden. Im Folgenden eine Auswahl der größten Themenkomplexe die 2011 diskutiert wurden und welche die Entwicklung des Biomasse-Sektors beeinflussen werden:

  1. Neue Energiepflanzen
  2. Potential von Bioraffinerien (siehe Artikel Bioraffinerien)
  3. Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), bzw. Kraft-Kälte-Kopplung
  4. Aufbereitung von Biogas und Reinigung von Abgasen der Biomasse-Verbrennung
  5. Biokraftstoffe der nächsten Generation
  6. Klimabilanz der Bioenergie
  7. Nachhaltigkeitskriterien und Zertifizierung von Biomasse
  8. Algentechnologie (Kultivierung, Aufbereitung und Nutzung)
  9. Vergasung, Pyrolyse und Hydrothermale Karbonisierung von Biomasse
  10. Enzymtechnologie in der Biomasse-Nutzung

Die Zusammensetzung der Themen zeigt, dass in diesem Jahr vor allem die Bioenergie und somit die energetische Nutzung von Biomasse die Konferenz geprägt hat und die stoffliche Nutzung noch etwas im Hintergrund vertreten war. Das hängt sicher mit den gesellschaftlich relevanten Themen wie Klimawandel oder Energiewende zusammen, welche vor allem während der letzten Jahre stärker in den Fokus der Politik gerückt sind. Die Rohstoffwende und somit die Bedeutung der stofflichen Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen wird hoffentlich in den kommenden Jahren weiter zulegen.

Verleihung des Linnerborn Preises und des EUBIA Industry Awards

Auf der Eröffnungsveranstaltung der Europäischen Biomasse Konferenz wurden erneut zwei der wichtigsten Preise der Biomasse-Branche verliehen. Die Gewinner der beiden Preise sind 2011:

Linnerborn Prize 2011 – Kai Sipilä

Der Preis wird seit 1994 für herausragende Leistungen im Bereich der Bioenergie vergeben. In diesem Jahr hat den Preis der Finne Kai Sipilä vom Technical Research Center of Finland (VTT) erhalten. Er erhält die Auszeichnung für seine Tätigkeit im Bereich der thermochemischen Konversion von Biomasse und der Entwicklung von Biokraftstoffen der nächsten Generation. Diese Felder bilden die Schwerpunkte seiner Forschungsaufgaben im Biomasse-Sektor.

Außerdem koordiniert Kai Sipilä aktuell das Bioenergy Joint Programm der European Energy Research Alliance (EERA).

EUBIA Industry Award 2011 – Vattenfall

Ein weiterer Preis, der EUBIA Industry Award, wird von der European Biomass Industry Association (EUBIA) verliehen. In diesem Jahr wurde der Preis zum 9 mal vergeben und geht an die Vattenfall Business Unit Biomass für „ihren Beitrag zur Entwicklung des Bioenergie Sektors und seiner Märkte“. Der Preis wurde stellvertretend an Göran Lundgren, Vizepräsident der Vattenfall Business Unit Biomass, übergeben.

Image zu Preisträger European Biomass Conference
Göran Lundgren/ Vattenfall (Mitte) und Kai Sipilä/ VTT (2 v.R.)

Insgesamt werden auf der Biomasse-Konferenz 4 Preise verliehen. Die Preise für die beste Präsentation und der Studenten-Award werden jeweils erst auf der Abschluss-Veranstaltung der Konferenz vergeben. Hier finden sie die Gewinner der Biomasse Awards.

“German Day on Biomass” – Parallel Event

Parallel zur Euopäischen Biomasse Konferenz fanden im gleichen Gebäude verschiedene Nebenveranstaltungen statt, die ebenfalls besucht werden konnten. Folgende Sideevents gehörten in diesem Jahr dazu:

  • Algen Workshop
  • Biomasse Potentiale in Kanada
  • Biomass Industry Leaders Forum
  • German Day on Biomass
  • Europäische Biogas Perspektiven
  • Lignocellulose-Ethanol: Rohstoff-Produktion und Nachhaltigkeit
  • Messung, Analyse und Monitoring von Substanzen der Biomasse-Pyrolyse

Auf meinen Besuch des German Biomass Day möchte ich kurz etwas näher eingehen.

Moderiert von Frau Dr. Alexa Lutzenberger von der Leuphana Universität in Lüneburg wurde aus verschiedenen Perspektiven die Entwicklung der Biomasse-Branche vorgestellt.

Jochen Flasbarth (UBA)

Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamts, ist auf die Bedeutung der Bioenergie innerhalb der Entwicklung der Energieversorgung in den nächsten Jahren eingegangen. Dabei hat er vor allem ihre Bedeutung als Regelenergie und ihren gezielten Einsatz zum Ausgleich von Spitzenverbräuchen („peak load“)  in der Stromnachfrage hervorgehoben. Außerdem hat Herr Flasbarth auf die Monokultur-Problematik und die Relevanz des Indirect  land use change (ILUC) hingewiesen, welcher in den Griff bekommen werden muss, um den Umweltschutz und die gesellschaftliche Akzeptanz bei der Nutzung der Bioenergie zu sichern.

Birger Kerkow (FNR)

Im Anschluß an die Rede des Präsidenten des Umweltbundesamts hat Birger Kerkow von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) über die Entwicklung der Biomasse-Nutzung in Deutschland während der vergangenen 20 Jahren berichtet und diese an Hand zahlreicher interessanter Grafiken und Diagramme näher erläutert. Beeindruckend fand ich beispielsweise die Entwicklung der pelletbasierten Heizungssysteme, deren Nutzung sich von 3.000 Stück im Jahr 2000 auf 140.000 Stück im Jahr 2010 etwa verfünzigfacht hat!

Insgesamt wurde einem durch die Darstellungen erneut bewusst, welcher hohe Stellenwert der Biomasse als Primärenergiequelle, innerhalb der regenerativen Energieversorgung, zukommt. Bei allen Errungenschaften hat Herr Kerkow aber betont, dass weitere Maßnahmen nötig sind, um die Renewable Energy Sources (RES) Ziele der EU für Biomasse zu erreichen.

Dr. Daniela Thrän (DBFZ)

Frau Dr. Daniela Thrän vom Deutschen Biomasseforschungszentrum kann sicher als eine der Leitfiguren innerhalb der deutschen Biomasseforschung bezeichnet werden. Sie hat in ihrer Präsentation vor allem eine globale und auf die Zukunft ausgerichtete Perspektive der Biomasse-Branche vorgestellt.

Dabei gab sie einen Überblick über verschieden Ansätze (Modelle) und Szenarios, welche aktuell in der Biomasseforschung genutzt werden, um Prognosen über die weiteren globalen Entwicklungen der Branche zu geben. So können die verschiedenen Biomasse-Potentiale beispielsweise mit der „Mass Flow Analysis“ oder dem „Market and Land use Modell“ bestimmt werden.

Frau Thrän stellte außerdem die Stellung von Abfällen als Bioenergiequelle in den Vordergrund, weil diese besonders geeignet sind eine positive Klimabilanz zu erreichen. Eine Rückgriff auf den Anbau von Energiepflanzen sei aber unumgänglich.

International sieht das DBFZ Ländern wie China, die USA, Indien oder Brasilien mit dem höchsten Bioenergie-Potential ausgestattet, was vor allem auf die hohen Einwohnerzahlen und die großen Landflächen zurückzuführen ist.

Konferenzsaal auf der Europäischen Biomasse Konferenz in Berlin

Workshops

Am Nachmittag wurden beim German Biomass Day ausgewählte Themen in bunt gemischten, kleineren Gesprächsrunden diskutiert. Ich habe mich für die Gruppe „Soziale Nachhaltigkeitskriterien für Biomasse“ entschieden, in welcher auch José Roberto Moreira, Gewinner des Linnerborn Preises 2008, zu finden war. Prof. Moreira hat dabei interessante Einblicke in die besondere Situation der Biokraftstoffe für die Entwicklung Brasiliens gegeben.

Bezüglich der sozialen Nachhaltigkeitskriterien sind wir zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht von den ökologischen Nachhaltigkeitskriterien getrennt betrachtet werden können, da beide eng miteinander verzahnt sind. Außerdem sind Zertifizierungssysteme zwar kein perfektes Instrument zur Erhöhung des Umweltschutzes innerhalb der Biomasse-Branche, aber wahrscheinlich das Beste, über welches wir aktuell verfügen.

Dr. Heinz Ossenbrink (JRC = Joint Research Center, EU Commission)

Herr Dr. Ossenbrink hat zum Ende des Workshops einen Einblick in die politischen Vorgänge auf EU-Ebene bezüglich der Entwicklung der Bioenergie gegeben und die hohe Bedeutung für die Erreichung der RES Ziele erläutert.

Zum Abschluss des Artikels möchte ich noch die Internetseite der diesjährigen European Biomass Conference empfehlen, auf der es eine Vielzahl interessanter Informationen zu finden gibt.

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