10 Punkte welche die Biomasse-Branche im Jahr 2011 verändern werden

EEG-Novelle Einspeisung Biomethan Nahwärmenetze Bioenergie Biomethan BHKWIn der folgenden Liste habe ich 10 Punkte aufgelistet, welche meiner Meinung nach eine zentrale Rolle für die Entwicklung der Biomasse-Branche im Jahr 2011 einnehmen werden. Der Großteil der Punkte bezieht sich auf die energetische und stoffliche Nutzung von Biomasse in Deutschland und Europa. Vor allem in Bezug auf die technologischen Entwicklungen gelten viele der Punkte aber auch im internationalen Maßstab. Hier die 10 Punkte:

1 – Biomethan/ Bioerdgas erweitert die Anwendungsmöglichkeiten der Bioenergie

Das Ziel der Bundesregierung ist die Einspeisung von jährlich 6 Milliarden Kubikmetern aufbereitetem Biogas (Biomethan) ins Erdgasnetz. Dieses Einspeiseniveau soll bis zum Jahr 2020 erreicht werden. Um dieses Potential realisieren zu können, müssen die aktuell noch bestehenden Hemmnisse (siehe Artikel) kontinuierlich abgebaut werden.

2010 gab es deshalb bereits entsprechende Anpassungen in der Novelle der  Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV), um Biomethanproduzenten den Zugang zum Erdgasnetz zu erleichtern. Außerdem wurden mehrere juristische Präzedenzfälle abgeschlossen, deren Ergebnisse die rechtliche Abwicklung von Konflikten zwischen Bioerdgas-Produzenten und Gasnetzbetreibern zukünftig beschleunigen wird.

Durch weitere Anpassungen der bestehenden Gesetzestexte und die Zunahme an Orientierungshilfen durch noch folgende Rechtsurteile, wird die Biomethaneinspeisung weiter an Fahrt aufnehmen. Auch eine konstante Weiterentwicklung der Aufbereitungs- und Einspeisetechnologien ist zu erwarten, wodurch noch effizientere und sicherere Verfahrenstechniken für diese flexible Sparte der Bioenergie bereitgestellt werden.

2 – Sprit E10 erhöht den Anteil an Biokraftstoff an deutschen Tankstellen

Seit Anfang des noch jungen Jahres wird an deutschen Tankstellen mehr Biokraftstoff verkauft. Durch die Einführung des Kraftstoffs E10 (Benzin mit 10% Bioethanol) hat sich der angebotene Anteil von Bioethanol schlagartig fast verdoppelt. Es bleibt abzuwarten, wie schnell sich das Tankverhalten der Autofahrer ändern und somit das Potential des angebotenen Biokraftstoffs voll ausgeschöpft wird.

Wie bei jeder Neuerung gibt es natürlich auch bei der Einführung des höheren Bioethanol-Blends kritische Aspekte, die es zu überwinden gilt (siehe Artikel).

Gleich zur Einführung wird der neue Kraftstoff mit zwei nicht zu unterschätzenden Problemen konfrontiert.

So sollte jeder Autobesitzer vor dem ersten Tanken von E10 sicherstellen, dass sein Fahrzeugtyp den höheren Anteil an Ethanol auch verträgt. Verschiedene Studien gehen davon aus, dass etwa 10% der gesamten Fahrzeugflotte nicht E10 tauglich sind! Die Fahrzeugbetreiber müssen also flächendeckend informiert werden und die neue Zapfsäule mit den Gefahren muss deutlich erkennbar sein. Hier ein Link zu einem Blog-Artikel auf „Nachhaltig Mobil“, in dem die Verträglichkeit von E10 für die bestehenden Fahrzeugtypen benannt wird.

Herausforderungen gibt es auch bei der Herstellung von Bioethanol. Die bioenergetischen Boni für flüssige Bioenergie, wie beispielsweise Bioethanol, werden ebenfalls ab Anfang des Jahres nur noch bei Verwendung von zertifizierter Biomasse gezahlt. Es ist möglich, dass es hier zu Startschwierigkeiten und Lieferengpässen kommen wird, weil die Einführung von E10 mit dem Zeitraum für die Pflicht zur Biomasse-Zertifizierung (siehe Punkt 4) zusammenfällt. Wenn nicht genügend Mais, Weizen, etc. für die Herstellung von Bioethanol zertifiziert werden kann und der Bonus entfallen sollte, dann wird die Herstellungsmenge von E10 möglicherweise nicht auf das benötigte Niveau gebracht.

Hoffentlich können die Startschwierigkeiten schnell in den Griff bekommen werden und der Anteil an Bioenergie im deutschen Straßenverkehr angehoben werden.

3 – Entwicklung der EEG-Novelle wird die Erzeugung von Biogas beeinflussen

Vor allem in den letzten Wochen hat die öffentliche Diskussion über die inhaltlichen Änderungen der voraussichtlich aber 2012 geltenden Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes an Tempo gewonnen. Die Vorschläge für notwendige Änderungen im Bereich der Bioenergie werden konkreter und es bilden sich zusehends verschiedene Parteien heraus. Dabei wird sogar die Vorziehung des Wirksamwerdens der Änderungen auf Mitte 2011 diskutiert.

Die für 2012 vorgesehenen Anpassungen des erfolgreichen Gesetzestextes werden den Biogasmarkt verändern – in welcher Form ist aktuell noch schwierig abzusehen. Wahrscheinlich wird sich die danach bevorzugte Anlagengröße bei Neuanlagen verändern und die Anforderungen und die Höhe des Gülle- und NawaRo-Bonus werden sich verschieben.

4 – Biomasse-Zertifizierung wird die Nachhaltigkeit von Bioenergie verbessern

Nachdem die ersten Zertifizierungssysteme für Biomasse (z.B. ISCC und REDcert) zur Überprüfung der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien anerkannt wurden und angewendet werden, wird das Jahr 2011 zur ersten Bewährungsprobe für die Handhabbarkeit und Annahme durch die Biomasse-Nutzer (z.B. Biokraftstoffhersteller, Biogasanlagen-Betreiber etc.).

Seit Anfang des Jahres werden die bioenergetischen Boni nur noch für die Verwendung von zertifizierter Biomasse gezahlt, welche also die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien nachweisen kann.

Es gibt eine Vielzahl an ersten Erfahrungen im Umgang mit den Zertifizierungssystemen (siehe Artikel), welche aktuell ausgewertet werden.

Die zügige Anpassung bei der praktischen Durchführung der Zertifizierung (z.B. Erhöhung der Anzahl an Auditoren, Einführung weiterer Standardwerte etc.) und somit die Umsetzung der Forderungen der Nachhaltigkeitsverordnung wird sicher nicht ganz unproblematisch für alle Beteiligten über die Bühne gehen.

Das Erreichen der gemeinsamen Ziele durch einen kooperativen und geduldigen Umgang der Betroffenen untereinander lohnt sich aber in jedem Fall, da die Bioenergie durch die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien auf ein stabiles, ökologisch vertretbares Fundament gestellt und ein häufiger Kritikpunkt an der Bioenergie beseitigt wird.

5 – Repowering von Biogasanlagen führt zu einer effizienteren Produktion

Die Jahre 2009 und 2010 waren in Bezug auf den Neubau von Biogasanlagen mit die erfolgreichsten Jahre der Branche überhaupt. An dieser Stelle ein herzliches Willkommen an die neuen Anlagen und Anlagenbetreiber. Viele Biogasanlagen in Deutschland laufen aber auch schon erfolgreich seit vielen Jahren ohne lange Unterbrechungen. Bei diesen entspricht die Anlagentechnik teilweise nicht mehr dem aktuellsten Stand oder sensible Bauteile verschleißen zunehmend.

Hier wird es ähnlich dem Phänomen in der Windkraftbranche zu einem Repowering von Biogasanlagen kommen. Im Zentrum der Modernisierung werden neue Möglichkeiten zur leichteren Kontrolle der Anlage mit Hilfe von MSR-Technologien stehen. Außerdem werden empfindliche und stark beanspruchte Bauteile wie Rührwerke, Beschicker oder Blockheizkraftwerke ausgetauscht werden. Die Investitionen in dieses „Face-Lifting“ werden der gesamten Biogasbranche zugute kommen.

6 – Bau erster Industrieanlagen für Biopolymere/ Biokunststoffe

Bei der stofflichen Nutzung von Biomasse wird vor allem das Segment der Biokunststoffe seinen Aufschwung fortsetzen. Ein Up-Scale hin zu großen Industrieanlagen wird stattfinden. Mit Hilfe der großen Anlagen können dann auch größere Märkte erschlossen und bedient werden. So wurde erst vor wenigen Wochen der Bau einer großen PLA-Anlage mit 150.000 Jahrestonnen in Hebei/ China beschlossen.

Biopolymere wie Polymilchsäure (PLA) und Polyhydroxybuttersäure (PHB) werden ihren Siegeszug fortsetzen und durch die größeren Anlagen mittelfristig zu einem Marktpreis gelangen, der gegenüber ihren Kunststoffkollegen auf Erdölbasis konkurrenzfähig ist. Mit der Annäherung der Produktionskosten von Biokunststoffen an die fossilen Kunststoffe wird gleichzeitig ihr Anwendungsspektrum vergrößert.

Auch die Nutzung natürlicher Biopolymere wie Lignin werden zum Beispiel durch das Förderprogramm (siehe Artikel) des BMELV und der FNR unterstützt, einen Aufschwung erleben.

7 – Zunehmende Bedeutung der weißen Biotechnologie und Mikrobiologie

Die Inhaltsstoffe von nachwachsenden Rohstoffen sind komplex und vielfältig. Außerdem bieten pflanzliche Makromoleküle wie Stärke, Zucker und Pflanzenöle zusätzlich das Wachstumspotential, dass sie durch Wissenschaften weiter verändert werden können, die ebenfalls noch einer rasanten Entwicklung unterliegen. Als ein konkretes Beispiel möchte ich hier den Einsatz von Pilzen zum leichteren Aufschluss von stabilen Makromolekülen wie Lignin nennen.

Forschungsergebnisse aus den Bereichen der Enzymtechnologie und der Mykologie werden die Verfahren der weißen Biotechnologie beeinflussen und die stoffliche und energetische Nutzung von Biomasse weiterentwickeln.

Auch junge Branchen, wie die BioÖkonomie/ BioEconomy, werden von den weiteren Entdeckungen der Mikrobiologie profitieren.

8 – Algen gewinnen an wirtschaftlicher Bedeutung

Eines meiner persönlichen Lieblingsfelder im Bereich der Biomasse-Nutzung ist der zunehmende Einsatz von Mikro- und Makroalgen. Aquatische Energiepflanzen wie Algen haben den Charm, dass sie nicht in den Wettbewerb um bisher genutzte Flächen treten und somit den Anbau von landwirtschaftlichen Nahrungsmitteln nicht negativ beeinflussen. Die Nutzung von Algen ist außerdem ein Wirtschaftsbereich, der zum Träumen einlädt und viel kreatives Potential für ganz neue Ideen bietet.

Die Produktion von Biodiesel und Bioethanol aus Mikroalgen für den Einsatz als Kraftstoff in der zivilen Luftfahrt ist dabei nur einer der energetischen Nutzungspfade, an dem aktuell geforscht wird.

9 – Kaskadennutzung verbindet energetische und stoffliche Nutzung von Biomasse

Die Biomasse-Branche lebt von den Entdeckungen und Ergebnissen aus dem Bereich der Grundlagenforschung genauso, wie von den Entwicklungen und Anpassungen, die in schon erfolgreich bestehenden Wirtschaftszweigen stattfinden.

Leichte Änderungen innerhalb der gewaltigen Stoffströme der Abfall-, Bau-, Energie- oder Landwirtschaft haben auf Grund ihrer Größe starke Auswirkungen auf die angrenzenden Branchen.

An dieser Stelle werden uns 2011 neue Nutzungspfade für Biomasse begegnen, welche die stoffliche und energetische Verwendung dieses begehrten Rohstoffs effizienter und nachhaltiger gestalten. Eine wichtige Verfahrenstechnik wird in diesem Zusammenhang die Pyrolyse (Torrefizierung, hydrothermale Karbonisierung) sein, mit deren Hilfe jegliche Form von Biomasse in eine homogene Form (z.B. Biokohle) aufbereitet werden kann und so für eine letzte energetische Nutzungsstufe bereitsteht.

Innovative Arten der Kaskadennutzung von nachwachsenden Rohstoffen wird eines der großen Diskussionsthemen in den nächsten Jahren sein. Wir können uns überraschen lassen, beziehungsweise kreativ mitgestalten, welche Kombinationen von Nutzungsarten in diesem Jahr Synergien frei setzen, neue Märkte eröffnen und Arbeitsplätze schaffen werden.

10 – Kombination von Bioenergie und Kraft-Wärme-Kopplung stärkt deren dezentrale Nutzung

Obwohl das vom BMU und der BAFA geförderte und stark nachgefragte Mini-KWK Programm nicht mehr existiert, werden Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung weiterhin einen Aufschwung erleben. Der KWK-Bonus für Biogasanlagen des EEG besteht weiterhin und unterstützt somit zwei Technologien, die meiner Meinung nach wunderbar zusammenpassen.

Durch die kombinierte Gewinnung von Strom und Wärme aus Biogas oder Biomethan steigt nicht nur der finanzielle Gewinn für den Betreiber des Blockheizkraftwerks, sondern die Energie der Biomasse wird so hocheffizient und umweltschonend gewonnen, wie es aktuell möglich ist. Diese Synergie aus ökonomischen und ökologischen Ansprüchen wird die Kraft-Wärme-Kopplung auch im nächsten Jahr sehr erfolgreich machen.

Zunehmend werden Blockheizkraftwerke (BHKW) auch für die Verstromung von Biogas ausgelegt. Die Installation eines Satelliten-Blockheizkraftwerks in einiger Entfernung zur Biogasanlage wird eine häufiger gewählte Alternative, um Wärmeverbraucher und Wärmeproduktion näher zusammenzubringen. Auch die Errichtung von Nahwärmenetzen ist eine Möglichkeit, die durch KWK-Anlagen bereitgestellte Wärme möglichst vollständig zu nutzen.

Was weiterhin einige Kreativität erfordert, sind umfassende Konzepte zur Wärme, bzw. Kältenutzung (siehe Artikel). 2010 war in diesem Bereich schon ein sehr interessantes Jahr, bei dem Krankenhäuser, Seniorenheime und Schwimmbäder mit Blockheizkraftwerken ausgestattet wurden. Der Kreativität sind an dieser Stelle kaum Grenzen gesetzt.

Ich wünsche der Biomasse-Branche und allen die beruflich von ihr leben und helfen sie weiterzuentwickeln einen schönen Start in ein erfolgreiches Jahr 2011!

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