EU-Emissionshandel gilt ab 2012 auch für die Luftfahrt. Chancen für Biokraftstoffe.

Ab 2012 wird der EU-Emissionshandel auch die europäische Luftfahrt erfassen, welche von diesem bisher ausgeschlossen war. Diese Entwicklung führt neben internationaler Kritik auch zu einer Chance für eine beschleunigte Einführung von Biokraftstoffen in diesen großen Kraftstoffmarkt. In der vergangenen Woche wurden die dazu zugelassenen Zertifizierungsgesellschaften vorgestellt. Welche Auswirkungen auf den Biokraftstoff-Sektor hat die Einführung des Emission Trading Scheme (ETS) auf die Luftfahrt?

Grundlagen des Emission Trading Scheme (ETS)

Das 2005 in Europa in Kraft getretene Emission Trading Scheme ist das weltweit größte System für den Emissionsrechtehandel und gilt als Vorreiter für ein mögliches globales System.

Für den Handel der Emissionszertifikate wurden bisher die Emissionen von rund 11.000 Industrieanlagen und Kraftwerken in 30 europäischen Ländern erfasst. Das ETS dokumentiert aktuell 8% aller weltweit vom Menschen verursachten Kohlenstoffdioxid-Emissionen.

Bis zum Jahr 2020 soll mit Hilfe des ETS in 3 Phasen ein funktionierender und von der europäischen Kommission geleiteter Emissionshandel aufgebaut werden. Die Emissionszertifikate werden beispielsweise über die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig gehandelt.

Für weiteres Hintergrundwissen zum Emissionshandelssystem bieten die deutsche und englische Wikipedia einen detaillierten Artikel.

Aufnahme der Luftfahrt in das Emission Trading Scheme ab 2012

Bisher waren der Transportsektor und somit auch die Luftfahrt vom EU-Emissionshandel ausgenommen. Die Ausnahme für die Luftfahrt wird auch mit dem Argument begründet, dass das Emission Trading Scheme für Europa gilt und Fluggesellschaften ihrem Wesen nach meist international sind.

Am 20.Dezember 2007 einigten sich die EU-Umweltminister jedoch darauf, dass die Luftfahrt ab 2012 in das ETS integriert werden soll. Immerhin werden durch den Ausschluss der Luftfahrt bisher 2 Milliarden Tonnen aller europäischen CO2-Emissionen (entspricht etwa 24% des Gesamtausstoßes) nicht vom ETS berücksichtigt. Sowohl innereuropäische Flüge, als auch Interkontinentalflüge müssen demnach ab dem kommenden Jahr im EU-Emissionshandel berücksichtigt werden. Schätzungen zu Folge werden 2-3% aller globalen CO2-Emissionen durch die Luftfahrt ausgelöst.

Die Verteilung der CO2-Zertifikate für die Luftfahrt wird anspruchsvoller sein als bisher bei den Industrieanlagen und Kraftwerken in Phase I und II des ETS. Die geplante Handhabung wird schon der Phase III des ETS entsprechen. Konkret bedeutet das, dass die Zertifikate nicht wie bisher nach dem Grandfathering-Prinzip (zugeteilte Zertifikate entsprechen dem Verbrauch der letzten Jahre), sondern entsprechend den Ergebnissen eines technologischen Benchmarketings  (BAT) verteilt werden. Außerdem muss ein größerer Teil der Emissionszertifikate ersteigert und kann nicht mehr kostenfrei erworben verteilt.

Die Kosten werden Großteils an die Fluggäste weitergegeben und es wird mit einem Anstieg der Ticketpreise um etwa 10 Euro (Hin- und Rückflug) für innereuropäische Flüge gerechnet.

Hier der Link zur Internetseite der Europäischen Kommission für die Reduzierung von Kohlenstoffdioxid-Emissionen in der Luftfahrt.

Auswirkungen auf die Biokraftstoff-Branche, Airlines und Billigflüge

Obwohl die Aufnahme der Luftfahrt in den EU Emissionshandel zur Senkung des europäischen CO2-Ausstoßes beitragen wird, gibt es auch zahlreiche Kritik zu dieser Klimaschutz-Maßnahme.

Die europäischen Fluggesellschaften befürchten einen Boykott ihrer Flüge und einen Verlust an Marktanteilen an die internationale Konkurrenz. Schon jetzt hagelt es internationale Kritik von den US-Amerikanern und den Chinesen, dass Flüge nach New York oder Hong Kong mit einem Start in Europa in Zukunft teurer werden (etwa 40 €).

Vor allem Airlines mit einem breiten Spektrum an sogenannten „Billigflügen“ werden durch den Emissionshandel einen Preisaufschlag nach oben vornehmen müssen, den die Kunden nur sehr ungern tragen werden. Billigflieger sollten deshalb auf die europäische Umstellung hin zu einer grüneren Luftfahrt hinweisen und den Preisanstieg als direkten Beitrag zum Klimaschutz bewerben.

Trotz vorübergehender Nachteile für europäische Airlines und Vielflieger gibt es auch Branchen, die durch die Aufnahme der Luftfahrt in den EU-Emissionshandel einen Aufschwung erleben werden.

So wird die Biokraftstoff-Branche als ein Gewinner aus dieser politischen Maßnahme zum Klimaschutz hervorgehen und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Aufschwung erleben. Vorteil der Biokraftstoffe ist es, dass Sie eine bessere Klimabilanz als das bisher verwendete fossile Kerosin aufweisen. Somit können Biokraftstoffe schon mit heutiger Technik (Drop-in-Technologie) zu einem geringeren Grundbedarf an Emissionszertifikaten bei den Airlines beitragen.

7 Zertifizierungssysteme für Biokraftstoffe und Gründung der AIREG

Um diese CO2-Einsparung in der Gesamtbilanz zu erreichen und weitere Umweltschäden durch Biokraftstoffe zu verhindern (Regenwaldabholzung, ILUC) muss ihre Herstellung als nachhaltig zertifiziert sein. 35% weniger CO2 als vergleichbare fossile Kraftstoffe müssen beim Anbau und der Verarbeitung der Biomasse aktuell freigesetzt werden, um ein entsprechendes Nachhaltigkeitszertifikat zu erhalten. Die Nachhaltigkeitszertifizierung für flüssige Biomasse (Biokraftstoffe) ist in Deutschland seit Anfang 2011 Pflicht (siehe Artikel).

Wenn man das so sagen möchte, dann verfügt die Europäische Union aktuell über die höchsten gültigen Standards zur Nachhaltigkeitszertifizierung von Biokraftstoffen weltweit. Damit diese Standards auch überprüft und eingehalten werden können, hat die EU Kommission am 19. Juli die bisher anerkannten Zertifizierungssysteme vorgestellt.

Folgende 7 Zertifizierungssysteme erfüllen die Vorgaben der EU und sind für die kommenden 5 Jahre anerkannt:

  • ISCC System aus Deutschland für alle Arten von Biokraftstoffen
  • Bonsucro EU Roundtable Initiative für Biokraftstoffe auf Zuckerrohrbasis. Schwerpunkt Brasilien
  • RTRS EU RED Roundtable Initiative für Biokraftstoffe auf Sojabasis. Schwerpunkt Argentinien und Brasilien
  • RSB EU RED Roundtable Initiative für alle Arten von Biokraftstoff
  • 2BSvs System aus Frankreich für alle Arten von Biokraftstoffen
  • RSBA Zertifizierungssystem des Unternehmens Abengoa Bioenergia zur Kontrolle der eigenen Lieferkette
  • Greenergy Zertifizierungssystem des Unternehmens Greenergy für Zuckerrohr-Ethanol aus Brasilien

Weitere Informationen zu den Zertifizierungssystemen erhalten Sie auf der Internetseite der Europäischen Kommission. Die Stellungnahme des Europäischen Ethanol Verbands ePure zur Bekanntmachung der 7 Zertifizierungssysteme finden Sie hier.

In Deutschland haben sich zur Steigerung des regenerativen Kraftstoffanteils im Flugverkehr außerdem 20 Unternehmen und Organisationen zur AIREG zusammengeschlossen. Viele große Namen der Biomasse- und Luftfahrtbranche kommen in der im Juni gegründeten „Aviation Initiative for Renewabe Energy in Germany“ (AIREG) zusammen und diskutieren mögliche Szenarien zur beschleunigten Einführung von Biokraftstoffen in den Flugverkehr.

Lufthansa startet Flüge mit Biokraftstoff NExBTL zwischen Frankfurt-Hamburg

Flugzeugbauer und Fluggesellschaften sind schon seit längerer Zeit auf die Potentiale von Biokraftstoffen aufmerksam geworden (siehe Artikel).

Die schon seit geraumer Zeit bekannten Änderungen des Emissionshandels haben den Fokus der Luftfahrt auf Biokraftstoffe noch weiter verstärkt. Zumindest für die europäischen Fluggesellschaften könnte sich der erst mal eintretende Wettbewerbsnachteil mittelfristig sogar zu einem Wettbewerbsvorteil umdrehen, da die Einführung von Kraftstoffalternativen mit verbesserter Klimabilanz beschleunigt wird.

Ein europäischer Pionier bei diesem Wandel ist die Lufthansa AG. In einer Pressmitteilung Mitte Juli hat die Lufthansa bekannt gegeben, dass auf der Flugstrecke Hamburg-Frankfurt-Hamburg ab sofort auch Biokraftstoffe eingesetzt werden.

In einer ersten Testphase von 6 Monaten wird ein Lufthansa Airbus A321 die Strecke 4 x täglich mit dem Biokraftstoff NExBTL (Biomass to Liquid) betankt zurücklegen. Das biosynthetische Kerosin kann als Drop-In-Technologie in bereits bestehenden Flugzeugen und Triebwerken verwendet werden und wird von dem finnischen Unternehmen Neste Oil hergestellt.

Für die 6-monatige Testphase wird durch den Einsatz des Biokraftstoffs eine Einsparung der CO2-Emissionen von 1.500 Tonnen geschätzt. Und das bei nur 4 Flügen am Tag und bisher nur einer Flugstrecke! Zum Vergleich finden Sie in einem Artikel von Greenpeace eine Auflistung von 5 Möglichkeiten um die eigene CO2-Produktion um 1 Tonne zu verringern.

Was denken Sie über den EU-Beitrag zu einer grüneren Luftfahrt und damit verbundenen Preisanstiegen?

13 Kommentare zu „EU-Emissionshandel gilt ab 2012 auch für die Luftfahrt. Chancen für Biokraftstoffe.“

  1. Wie kritisch die Hinzunahme der Luftfahrt und die eventuell damit verbundenen steigenden Flugkosten beispielsweise in Indien betrachtet werden, kann in einem interessanten Artikel in der Hindustan Times gelesen werden. Dabei wird die Maßnahme zum Klimaschutz sehr kritisch und in meinen Augen etwas einseitig betrachtet.

    Hier der Link zum Artikel.

    Ich hoffe und glaube, dass die positiven Auswirkungen für den Klimaschutz die erstmal auftretenden Preissteigerungen akzeptabel machen.

  2. Ein weiterer guter Artikel (leider nur in Englisch) über die aktuellen Entwicklungen der Biokraftstoffe in der Luftfahrt und die Maßnahmen verschiedener Airlines ist am 31.07.2011 auf dem Blog „CleanTechies“ erschienen.

    In diesem Zusammenhang wird auch auf die Bedeutung der Energiepflanzen Jatropha curcas und Camelina hingewiesen.

    Hier der Link zum Artikel.

  3. Über ein gemeinsames Projekt im Bereich Biokraftstoffe für die Luftfahrt zwischen der Lufthansa AG und dem Unternehmen Sun Biofuels aus Mosambik können Sie in einem englischen Artikel lesen. Dieser ist auf der Internetseite des DefenseWeb erschienen (25.Juli 2011).

    Darin geht es um die ersten 30 Tonnen Jatropha Öl, welches an die Lufthansa Airline verkauft wurde. Sun Biofuels Mozambique baut Jatropha auf 9 Millionen Hektar an und beschäftigt 1000 Farmer und Techniker. Jatropha curcas bietet als Energiepflanze viele Vorteile und konkurriert nicht mit dem Anbau von Ackerpflanzen zur Nahrungsmittelgewinnung. Biokraftstoffe aus Jatropha stehen deshalb an der Schwelle für Biokraftstoffe der zweiten Generation.

    Hier der Link zum Artikel.

  4. Die US-Regierung um Präsident Obama hat heute bekannt gegeben, dass sie die Entwicklung von Biokraftstoffen für die Luftfahrt deutlich stärker fördern wird.

    So werden in den nächsten 3 Jahren aus öffentlicher Hand bis zu 510 Millionen US-Dollar für die Entwicklung von Biokraftstoffen der nächsten Generation ausgegeben. Gemeinsam mit einem ähnlich hohen Betrag aus der Privatwirtschaft können auf diesem Wege über 1 Milliarde US-Dollar in biobasierte Jet- und Diesel-Kraftstoffe für die Luftfahrt investiert werden.

    Die USA geben aktuell 300 Milliarden US-Dollar für Erdölimporte pro Jahr aus! Mit der stärkeren Förderung der Biokraftstoff-Industrie soll die Abhängigkeit von Ölimporten verringert werden.

    Weitere Informationen zu dieser guten Nachricht für die Bioenergie findet Ihr in diesem Artikel (englischsprachig).

  5. Ich begrüße die Einführung von Biosprit in der europäischen Luftfahrt und hoffe, dass die Emissionen von Treibhausgasen damit deutlich reduziert werden können. Ich glaube aber nicht, dass der Flugverkehr bei einer Erhöhung der Flugpreise um nur 10 Euro bei innereuropäischen Flügen wirklich abnehmen wird. Die Befürchtung, dass sich die europäischen Airlines nun um ihre Wettbewerbsfähigkeit sorgen müssen, halte ich deshalb auch für total überzogen.

  6. Je mehr sich die Preise für Biosprit und fossile Kraftstoffe einander annähern, desto geringer wird sicher auch der Preisanstieg pro Ticket ausfallen. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass durch einen Beitrag zum Klimaschutz langfristig (größere?) Kosten für die Gesellschaft und somit auch das Individuum vermieden werden können.

    Wie berechtigt die Befürchtung eines Verlusts an Fluggästen sein wird, fällt mir schwer einzuschätzen. Aber wahrscheinlich wird bei innereuropäischen Flügen tatsächlich kaum eine Veränderung eintreten, da alternative preiswerte Angebote fehlen werden. Ich werde die + 10 Euro jedenfalls mit gutem Gewissen zahlen und sie als Investition in den Klimaschutz und die Übernahme einer persönlichen Verantwortung betrachten.

  7. Ein Artikel über Anbauprojekte von Camelina in Kalifornien. Camelina soll dabei als Energiepflanze für die Herstellung von Biokraftstoffen in der Luftfahrt (Jet Fuel) verwendet werden. Das U.S. Unternehmen AltAir Fuels LLC plant dazu den Bau von zwei Produktionsanlagen.

    Dazu noch der Hinweis auf einen Artikel, der einen Einblick in die Vorteile und Potentiale der innovativen Energiepflanze Camelina sativa bietet.

  8. In einem Artikel in der Wirtschaftswoche (Online-Portal) hat sich Wolfgang Mayrhuber sehr kritisch zu den ab 2012 anstehenden Abgaben für europäische Fluglinien im Zuge des EU-Emissionshandels geäußert. Mayrhuber war bis 2010 Vorstandschef der Deutschan Lufthansa AG und befürchtet Wettbewerbsverzerrungen durch die Ausweitung des Emissionshandels auf die europäische Luftfahrt.

    Für die Lufthansa werden zusätzliche Kosten in Höhe von etwa 100 Millionen Euro pro Jahr entstehen. Außerdem kritisiert Mayrhuber in dem Artikel das bürokratische, langwierige und teilweise fehlerhafte Verfahren bei der Vergabe der Emissionszertifikate an die Airlines.

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