Brauchen wir noch Biosprit, wenn wir auf Elektromobilität setzen?

Vielen Dank an Berhard Ahlers für diesen spannenden Artikel, der die beiden wichtigsten Alternativen für eine Energiewende im Kraftstoffmarkt untersucht.

Die Energiewende und die erneuerbare Energie sind zu einem festen Bestandteil unserer Weltanschauung geworden. Der Anteil der regenerativen Stromerzeugung hat letztes Jahr die 20-Prozent-Marke überschritten und wird weiter ausgebaut.

Die Elektromobilität genießt hierzulande eine beispiellose öffentliche Präsenz. Für Forschung, Entwicklung, Bau und Markteinführung wurden Milliarden aus Bundesmitteln zur Verfügung gestellt. Die Elektromobilität ist umweltfreundlich, hält unsere Städte sauber und wird uns in ein neues Zeitalter der Antriebstechnologie führen. Wenn wir der Werbung glauben schenken, steht der Wechsel vom umweltschädlichen Verbrennungsmotor hin zum umweltfreundlichen Elektromotor kurz bevor.

Haben wir diese Thesen je hinterfragt? Ist das E-Auto heute wirklich schon so umweltfreundlich? Werden Ölimporte bzw. unsere Abhängigkeit davon reduziert? Wenn wir die Fakten betrachten, kommen wir schnell zu einem ganz anderen Bild.

Foto Elektromobilität

Ölpreis hat sich in 15 Jahren verzehnfacht

Bis 2020 sollen eine Millionen E-Autos und 150.000 Ladestationen, die den Steuerzahler noch einmal 2 Mrd. kosten, das Straßenbild bereichern. Aktuell sind 53 Mio. Kraftfahrzeuge, die mehr Energie (700 TWh) verbrennen als alle deutschen Kraftwerksanlagen zusammen (617 TWh) erzeugen, in Deutschland angemeldet.

Selbst im Fall, dass die gesetzten Ziele von 1 Mio. E-Autos bis 2020 und 5 Mio. 2030 erreicht werden sollten, bleiben immer noch 50 Mio. Fahrzeuge, die auf fossile Treibstoffe angewiesen sind, auf deutschen Straßen übrig. Kohlekraftwerke erzeugen immer noch den meisten Strom, weitere sind im Bau, bzw. gehen kurzfristig ans Netz. Der CO2-Anteil im Strommix ist auf einen Zehnjahres-Höchststand gestiegen. Eine CO2-Entlastung für Umwelt und eine Reduktion der Ölabhängigkeit wird trotz der E-Mobilität noch Jahrzehnte benötigt werden.

Die Reise des Rohölpreises ist sehr ungewiss, aber mit Sicherheit aufwärts. In den letzten 15 Jahren hat sich der Ölpreis verzehnfacht. Durch den enormen Energiehunger Chinas und Indiens sowie dem explodierenden Energieverbrauch der großen Ölförderländer ist ein Ölpreis von 200 US$ und mehr pro Barrel mehr als wahrscheinlich. Hinzu kommt, dass die Ölversorgung Deutschlands alles andere als sicher ist. Anders als Gas und Strom wird der Rohöl- und Kraftstoffmarkt nicht von deutschen, sondern ausschließlich von ausländischen Konzernen kontrolliert.

Von all den Anschuldigungen, die Biotreibstoffen seit Jahren angelastet werden, ob als Lebensmittel-Preistreiber, als Verursacher des Hungers in der Welt, als Regenwald-Vernichteroder als Motorenkiller, hat sich bis heute nicht eine bewahrheitet. Wie kann eine aufgeklärte Gesellschaft den weltweiten Hunger beklagen und gleichzeitig über 2,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel (1) auf den Müll werfen, eine Menge, mehr als das Fünffache, um den Hunger von 850 Millionen Menschen zu stillen. Wie können wir die Abholzung von Regenwäldern an den Pranger stellen und uns gleichzeitig im Baumarkt mit Teakholz-Möbeln eindecken? Bei den niedrigen Lebensmittelpreisen vergessen wir, dass wir die Lebensmittel zweimal bezahlen: einmal an der Kasse, ein zweites Mal mit unseren Steuern. Über 180 Milliarden US$ überweisen OECD-Staaten Jahr für Jahr an unsere Landwirte zur Überlebenssicherung. Allein die EU-27 muss zur Sicherung der „preiswerten Nahrungsmittel“ jährlich 80 Milliarden aufbringen. Und wie viele Motoren haben durch E10 in den letzten 2 ½ Jahren ein technisches KO erlitten? Keiner!

Es wird Zeit, uns nicht nur auf ein Zeitalter „nach 2050“ zu fokussieren, sondern wir müssen uns Gedanken machen, wie wir unsere unmittelbare Zukunft der Mobilität umweltfreundlicher gestalten.

Biotreibstoffe können und müssen eine gewichtige Rolle übernehmen. Längst stehen Biotreibstoff-Verfahren zur Verfügung (2), die nicht nur kostengünstiger und umweltfreundlicher sind als fossile Kraftstoffe sondern die auch die Lebensmittelproduktion positiv beeinflussen. Ein Bruchteil der Gelder, die wir heute für eine Mobilität nach 2050 ausgegeben, würde reichen, um eine bezahlbare und umweltfreundliche Kraftstoffversorgung inklusive der Infrastruktur zu sichern.  Wir müssen uns nur vom Einfluss der Ölkonzerne auf die Politik und deren populistisch geführte „Anti-Biokraftstoff-Kampagne“ lösen.

(1) FAO, Feb. 2013
(2) Biokraftstoff der 3. Generation

In einem weiteren Beitrag geht Bernhard Ahlers auf die Geschichte von Bioethanol in Deutschland ein.

5 Kommentare zu „Brauchen wir noch Biosprit, wenn wir auf Elektromobilität setzen?“

  1. Biokraftstoffe sind leider einfach ineffizient. Die Energieernte über den Umweg Biomasse erlaubt nur geringe Erträge. Photosynthese kann nur 1% des Sonnenlichts in Biomasse umwandeln – eine gewöhnliche Photovoltaikplatte aber 16% direkt zu Strom machen. Mit Umwandlungsverlusten geht die Wissenschaft von 40-facher Fahrleistung für Elektromobilität aus Solarstrom von gleicher Fläche aus.

    Lediglich für Reichweitenverlängerung in Hybridfahrzeugen kann ich mir eine zeitlich begrenzte Zukunft von Biokraftstoffen vorstellen. Weiterhin ist Biomasse ein guter Energiespeicher und kann als Reserve für stationäre Stromerzeugung genutzt werden; vorteilhaft besonders aus Reststoffen bzw. Nebenprodukten.

  2. Sehr geehrter Herr Dürre,
    Ihre Anmerkung der 1% Nutzung mag vielleicht stimmen, das habe ich nicht untersucht.
    Mit Ihrer Darstellung, dass Reichweiten mit Fotovoltaik-Strom 40Fach vs Biokraftstoff ist, dass kann ich ohne Rechenkünste und ohne wissenschaftliche Untersuchungen widerlegen. Aus Argrarabfall-Produkten, die pro Hektar in der Lebensmittelproduktion anfallen, konvertieren wir ca. 7.000 Liter Biokraftstoff (Energiegehalt: 151.200 MJ, bzw. 65.667.000 MWh), oder eine Menge, die für Fahrzeuge mit „Verbrennungsmotoren“ für über 100.000 km ausreicht. Und ich möchte noch hinzufügen, das Biokraftstoffe der 3. Generation überhaupt keine Flächen in Anspruch nehmen.
    Ihren Einsatz für die Fotovoltaik in allen Ehren, aber leider wachsen Solaranlagen weder auf Bäumen, noch in der Erde. Wafer, Grundplatten der Anlagen, müssen erst aus Quarzsand hergestellt werden. Der Quarzsand wird zu „monokristallinem Silicium“ mittels elektrischer Energie eingeschmolzen. Um einen Wafer mit 1kW Pik zu produzieren, werden bis zu 10.000 kWh Strom verbraucht. Die durchschnittliche Stromerzeugung der in Deutschland aufgestellten Fotovoltaik-Anlagen betrug in den letzten Jahren ca. 920 Volllaststunden. Heißt; Fotovoltaik-Anlagen erzeugen in den ersten 10 Jahren die Menge Strom, die für die Herstellung verbraucht wurden.

  3. Vielen Dank Herr Dürre und Herr Ahlers für die faktenorientierte Diskussion zum Thema Flächeneffizienz von Photovoltaik vs Bioenergie. Natürlich ist es spannend, wenn zwei Vertreter in den Ring steigen, die gewillt sind konstruktiv zu diskutieren und nicht einfach nur auf der anderen Technologie herumhacken. Diskussionen dieser Art kennen Sie sicher beide ebenfalls zur Genüge.

    Aus meiner Perspektive leuchtet es mir nicht ein, dass wir die eine Technologie gegen die Andere ausspielen. Beide haben Vorteile und beide haben ihre Schwäche, wie Sie sehr schön dargelegt haben.Fruchtbarer wäre es doch, wenn die Fachleute der PV- und Bioenergie-Branche gemeinsam nach Synergien suchen, statt eine „Teile-und-Herrsche-Mentalität“ zu unterstützen, die uns letztlich nur weiter am Tropf der endlichen, fossilen Energieträger hält. Vor allem im Mobilitätsbereich ist genügend Platz für Biosprit und Elektromobilität (PV, Wind).

  4. Sehr geehrter Herr Kirchner,
    für die E-Mobilität trete ich mit der gleichen Leidenschaft an, wie für Biotreibstoffe. Meine Einwände beziehen sich darauf, dass das Thema E-Autos allumfassend glorifiziert wird, bis heute schon 4 Milliarden Euro Steuergelder gekostet hat und bis 2015 weitere 3 Milliarden vom Bürger für eine Handvoll Autos zu tragen sind. Fakten belegen ohne Zweifel, dass die viel gepriesene „CO2-Neutralität“ noch einige Jahrzehnte auf sich warten lässt.
    „Ein Hund apportiert den Stock immer wieder, legt ihn brav vor die Füße des Werfers und fixiert dabei nur den Stock und nie den Werfer“ Zitat eines bekannten Osnabrückers.
    Wenn wir von Umweltschutz sprechen und das wir diesen alle wollen, steht außer Zweifel, müssen wir uns viel mehr auf das „Heute“ konzentrieren und weniger prophetisch in die Zukunft der 2030ziger- 2040ziger-Jahre investieren.

  5. Erst kürzlich hat der EU-Umweltausschuss über den weiteren Umgang mit Biokraftstoffen abgestimmt. Die Ergebnisse können vor allem den Herstellern der 1. Generation von Biokraftstoffen nicht wirklich gefallen, aber für das stark angeschlagene Image der flüssigen Bioenergie ist dieser harte Weg wahrscheinlich unumgänglich. Wenn wir bei Biokraftstoffen von Nachhaltigkeit sprechen, dann ist ja vor allem die ökologische Nachhaltigkeit gemeint und weniger die soziale und ökonomische Dimension der Nachhaltigkeits-Trias. Als Bioenergie-Enthusiast kann ich das akzeptieren und immerhin öffnet der Biosprit auf diesem Wege eine Tür für eine ökologische Weiterentwicklung der gesamten Biomasse-Branche.

    Ich stimme Ihnen zu, dass wir mehr kurzfristigere Maßnahmen zum Entzug vom Erdöl brauchen, ohne das wir die langfristige Entwicklung einer regenerativen Energieversorgung im Mobilitätssektor aus dem Blick verlieren. Aber 30 Jahre in die Zukunft zu schauen, ist wahrscheinlich selbst für die Erfahrendsten sehr schwierig!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.