Trotz der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Bioenergie in Bezug auf ihre Produktionstechnologien, Infrastruktur und Ökobilanz, gibt es weiterhin Kritik an einigen der Bioenergiesysteme. Im Fokus der Kritiker stehen vor allem bestimmte Biokraftstoffe der 1. Generation. Kritik ist genauso nötig, wie das Aufzeigen von Potentialen. Hier eine Auflistung von 7 Punkten, auf die wir uns bei den Biokraftstoffen der Zukunft noch freuen können.
Die Bezeichnung „Biokraftstoffe der zweiten Generation“ ist immer häufiger auch in den Medien zu lesen und basiert vor allem auf folgenden Weiterentwicklungen gegenüber den biomassebasierten Kraftstoffen der ersten Generation:
- Konzentration auf die Verwendung von Biomasse, die nicht als Nahrungsmittel für Menschen dient
- Entwicklung neuer Herstellungsverfahren zur Verbesserung der Biokraftstoffe
- Nutzung weiterer chemischer Verbindungen und Pflanzenbestandteile
- Verbesserung der Klimabilanz und des ökologischen Fußabdrucks
Hier 7 Punkte, welche einen kleinen Einblick in die Nachfolgemodelle der Biokraftstoffe (siehe Übersicht) geben.
1. Dank höherer Produktionsmengen pro Fläche, weniger Flächenbedarf für die Herstellung
Durch die zukünftige Nutzung der ganzen Pflanze oder der Trennung der Nahrungsfrucht von den Restbestandteilen für die Biokraftstoffproduktion wird weniger Fläche zur Herstellung der gleichen Menge Kraftstoff benötigt.
Ein überzeugendes Beispiel für den abnehmenden Flächenbedarf ist beispielsweise die Algenkultivierung als Grundlage für die Erzeugung von Biodiesel und Bioethanol. Algen können in Bioreaktoren angebaut werden, die wegen ihrer räumlichen Dimension mehr Biomassewachstum pro Fläche aufweisen. Benötigte Anlagen können auch auf kargen Flächen oder Industriebrachen aufgestellt werden.
2. Keine Nahrungsmittel mehr nötig
Die „Tank-oder-Teller-Frage“ ist ein dunkles Kapitel der Biokraftstoff-Diskussion. Auch wenn die einseitige Kritik, dass Biokraftstoffe für die hohen Nahrungsmittelpreise oder Hungerkatastrophen in der Welt verantwortlich sind mit Sicherheit zu kurz greifen (siehe z.B. Artikel auf Western Farmers Press), möchte doch niemand zu solchen Entwicklungen beitragen.
Durch den Einsatz völlig neuer Energiepflanzen oder Pflanzenbestandteile und die Nutzung von bisher für den Anbau von hochwertigen Nahrungsmitteln nicht geeigneten Flächen, kann die direkte Konkurrenz von Nahrungsmitteln zu Energiepflanzen zumindest stark verringert werden. Als Beispiele sollen an dieser Stelle das „Cellulose-Ethanol“ (aus schnellwachsenden Gräsern oder Holz) anstatt „Korn-Ethanol“ oder Biokraftstoff auf Basis von Algenkultivierung genannt werden.
3. Geringere Produktionskosten für Biokraftstoffe der nächsten Generation erhöhen ihre Konkurrenzfähigkeit
Die zügig abnehmenden Produktionskosten sind ein wichtiger Vorteil, der für die Biokraftstoffen der nächsten Generation spricht. Der Kostenvorteil greift aktuell noch nicht, aber der vorliegende Artikel handelt ja auch von den Biokraftstoffen der Zukunft. Mehrere Punkte sprechen für zukünftig reduzierte Produktionskosten.
Für die kommenden Biokraftstoffe kann Biomasse (z.B. Cellulose, Hemicellulose) verwendet werden, die deutlich weniger reich an hochwertigen Nährstoffen ist. Dadurch kann sie preiswerter erworben werden, als beispielsweise Biomasse mit hohen Protein- oder Fettanteilen.
Wenn wir bei einem der hoffnungsvollsten der „next generation biofuels“ bleiben, dem Cellulose-Ethanol, waren die Kosten für die notwendigen Enzyme zum Aufschluss des Vielfachzuckers bisher die anteilsmäßig Höchsten und haben etwa 50% der Gesamtkosten pro Liter ausgemacht.
Durch Innovationen der US-amerikanischen Unternehmen Novozyme und Genencor im Bereich der Enzymtechnologie sind die Herstellungskosten für 1 Gallone (etwa 4 Liter) Cellulose-Ethanol von etwa 4,5 US-$ auf unter 2 $ gefallen. Siehe hierzu auch den Artikel über die Wirtschaftlichkeit von industriellen Cellulose-Ethanol-Anlagen der New York Times (in Englisch).
In Kombination mit der zunehmenden industriellen Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation, optimierten Herstellungsverfahren und den geringeren Rohstoffkosten werden die gesamten Produktionskosten niedriger. Das wird letztlich auch zu einem abnehmenden Preis für die Biokraftstoffe an der Tankstelle führen und die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den fossilen Kollegen weiter verbessern.
4. Kürzere Transportwege stärken dezentrale Eigenschaft und Flexibilität der Biokraftstoffe
Dieser Punkt gilt vor allen Dingen im globalen Maßstab. Die Herstellung von Biokraftstoffen ist zu aufwendig, als dass sie von jedem Landkreis unter ökonomisch vertretbaren Bedingungen selbst übernommen werden könnte. Eine industrielle Fertigung kann demnach nicht umgegangen werden, wenn möglichst bald eine Konkurrenzfähigkeit gegenüber fossilen Kraftstoffen erreicht werden soll. Die internationalen oder gar interkontinentalen Transporte von Biomasse könnten dank der zukünftigen Biokraftstoffe aber deutlich eingeschränkt werden.
Grund für diese Entwicklung, wird die größere Flexibilität bei den verwendeten Inputstoffen (z.B. Holz, Gräser, Abfälle etc.) sein. Entdeckungen aus den Bereichen der Biotechnologie (siehe Artikel zur Enzymtechnologie) und der Agrarwirtschaft verbreitern gemeinsam mit neuen oder neu entdeckten Verfahren wie der Hydrothermalen Karbonisierung und dem Fischer-Tropsch-Verfahren die Basis für die Herstellung von Biokraftstoffen.
Somit steigt die Chance, dass zukünftig auch Länder über eigene Biomasse-Quellen verfügen, die bei der Anwendung von klassischen Herstellungsverfahren auf Importe von nachwachsenden Rohstoffen oder „fertigen“ Biokraftstoffen angewiesen wären.
Weiterhin kann durch die Erhöhung der Produktionsmenge pro Hektar (siehe Punkt 1) die benötigte Biomasse in einem engeren Radius um die Biokraftstoff-Raffinerie gewonnen werden. Dadurch können Transportkosten und Umweltbelastung reduziert werden.
Dafür wird die Herstellung von Biokraftstoffen der nächsten Generation schwieriger sein und es werden vermutlich komplexere Anlagen nötig.
5. Kontinuierliche Ernte über das gesamte Jahr bei höheren Energiegehalten
Die Produktion und Ernte der nutzbaren Biomasse-Rohstoffe ist nicht nur ein- oder zweimal im Jahr möglich, wie bei bisher angebauten Energiepflanzen für die Biokraftstoffe der ersten Generation (z.B. Raps, Roggen, Weizen, Ölpalme, Mais etc.) sondern ist theoretisch über das gesamte Jahr verteilt und kontinuierlich denkbar.
Als innovativste Quelle für kontinuierliche Ernteperioden sind an dieser Stelle sicherlich die Öle und Kohlenhydrate der Mikroalgenkultivierung zu nennen. Die energetische Nutzung von in Photoreaktoren oder Teichen angebauten Mikroalgen wird seit etwa 20 Jahren intensiv erforscht. Die über das gesamte Jahr wachsende Biomasse der Algen und die gezielte Nutzung hat mittlerweile die Phase der Grundlagenforschung und Pilotprojekte durchschritten und ist bereit für kommerzielle Anlagen.
Auch die Verwendung von Gräsern und Hölzern ist nicht auf die Nutzung der Pflanzenfrucht angewiesen, sondern es kann ganzjährig und zu dem Zeitpunkt Punkt geerntet werden, wann es der Energiewirt für richtig hält.
Neue Verarbeitungsmethoden und weitere chemische Energiespeicher (Iso-Butan, Methan etc.) ermöglichen außerdem eine höhere Energiedichte der zukünftigen Biokraftstoffe und längere Reichweiten für die Fahrzeuge. In der obigen Grafik sind die verschiedenen Energiegehalte von Biokraftstoffen der 1. und 2.Generation dargestellt.
Die Werte der Grafik habe ich im Internet aus verschiedenen Quellen recherchiert und sie sind leider nicht das Ergebnis einer gezielten Studie. Wenn ihr andere Werte, als diese Durchschnittswerte kennt, wäre das sehr spannend, davon zu erfahren. Bei der Berechnung des Energiegehalts des späteren Kraftstoffs ist natürlich zu beachten, ob es sich um einen Reinkraftstoff handelt oder der Biokraftstoff mit einer Quote zugemischt wird.
6. Erste Produktionsanlagen industrieller Größe für 2011 geplant
Ein großer Förderer der Biokraftstoffe der Folgegenerationen sind aktuell die USA mit ihrem hohen Spritbedarf. Die US-Amerikaner sind meines Wissens neben den Schweden bisher auch die Einzigen, die in diesem Jahr den Bau erster Anlagen für die Neuen unter den Biokraftstoffen bekanntgegeben haben, die über Demonstrationsanlagen hinausgehen. Im Folgenden zwei industrielle Anlagenprojekte die im letzten Monat bekanntgegeben wurden und mit deren Realisierung noch 2011 begonnen werden soll:
- AE Biofuels wird eine Anlage in Keynes (Kalifornien) errichten, die eine Jahreskapazität von etwa 200 Millionen Liter Cellulose-Ethanol haben soll.
- Der Schwedische Zellstoffproduzent Domsjö Fabriker AB plant den Bau einer Anlage in Örnsköldsvik. Die Anlage wird zwar als „Demonstrationsanlage“ bezeichnet, ist mit angestrebten 100.000 Tonnen Bio DME und Biomethanol pro Jahr aus Holzabfällen aber auf einem industriellen Level angekommen.
Auch die Bioethanol-Anlagen der Verbio AG in Schwedt und Zörbig produzieren als Begleitprodukt das sogenannte „Verbiogas“ (siehe Artikel), welches ein aus Reststoffen wie Schlempe und Stroh gewonnenes und aufbereitete Biomethan ist, das in Erdgas-tankenden Fahrzeuge als Kraftstoff verwendet werden kann. Dieses Produktionsprinzip kombiniert somit die Herstellung von Biokraftstoffen der 1. und 2 Generation, wodurch ein hoher Energienutzungsgrad und eine nach aktuellen Maßstäben bemerkenswerte Klimabilanz erreicht werden kann. Ein guter Übergang zu Punkt 7…
7. Ökobilanz der Biokraftstoffe wird verbessert
Ein häufiger Kritikpunkt gegenüber einigen Biokraftstoffen der 1. Generation ist, dass sie über keine bessere Ökobilanz verfügen sollen, als fossile Kraftstoffe. Dies ist sicherlich ein hochkomplexes Thema und kann nicht mal eben in 2 Sätzen abgehandelt werden. Fakt ist, dass die Biokraftstoffe der nächsten Generation (z.B. Cellulose-Ethanol oder BtL-Biodiesel) eine noch deutlich bessere Klimabilanz haben werden, als die der ersten Generation und bis zu 90% CO2-Ausstoß gegenüber den fossilen Vertretern einsparen sollen.
Fazit zu Biokraftstoffen der nächsten Generation
Trotz der Vorteile gibt es natürlich auch weiterhin Herausforderungen, die bei der Herstellung und Nutzung von Biokraftstoffen noch überwunden werden müssen.
Bei aller Sympathie für die Biokraftstoffe der nächsten Generation sollte meiner Meinung nach auch vermieden werden, dass die verschiedenen Biokraftstoffe gegeneinander ausgespielt werden, weil abhängig vom Standort jeder Kraftstoff seine Vorteile haben kann. Durch das Zusammenspiel mehrerer Kraftstoff-Generationen kann die wachsende Nachfrage nach ihnen auf mehrere Schultern verteilt werden. Der Weg zu Biokraftstoffen der 2.Generation geht über die Kraftstoffe der ersten Generation. Deshalb lohnt es sich meiner Meinung nach auch, die Schwierigkeiten bei der Einführung von E10 zu verzeihen und die gemachten Erfahrungen bei den zukünftigen Biokraftstoffen zu berücksichtigen.
Ein umfassendes Paper (Stand: Februar 2010) zu Biokraftstoffen der nächsten Generation hat die International Energy Agency (IEA) herausgegeben und kann HIER gelesen werden.
Was ist eure Meinung zur Entwicklung der Biokraftstoffe und welche Potentiale und Kritikpunkte seht ihr? Vielen Dank fürs Lesen und ein besonderer Dank an jeden Kommentator.
Wann wird der Artikel publiziert?