Aktueller Algen Boom geht in Richtung Bioenergie

Fot Algen MikroalgeImmer wenn ich mich intensiver mit Algen beschäftige, bin ich überzeugt, dass Algen zur Lösung vieler der „großen Probleme“ beitragen können die uns im Zuge der Energie- und Rohstoffwende bevorstehen. Trotzdem beschränken sich die meisten Erfolge der Algenbranche bisher vor allem auf wissenschaftliche Erkenntnisse und aktuell noch weniger auf Durchbrüche bei der Nutzung von Algen oder der Inbetriebnahme größerer Produktionsanlagen. Der European Workshop Biotechnolgy of Microalgae der zu Beginn des Monats in der Nähe von Berlin stattfand, hat einen gelungenen Überblick zur Branchenentwicklungen des vergangenen Jahres geboten. Einige Innovationen mit Auswirkungen auf die Bioenergie möchte ich in diesem Artikel vorstellen.

Am 4 und 5 Juni wurde im Institut für Getreideverarbeitung (IGV) der 9. European Workshop Biotechnology of Microalgae veranstaltet. Auch in diesem Jahr ist das Interesse am zweijährlich stattfindenden Event der Algenbranche im Nuthetal wieder gestiegen und es konnten mehr Besucher als beim letzten Mal willkommen geheißen werden. Dabei beschränkt sich der Besucherstrom auf der Algenveranstaltung nicht auf Vertreter der Algenbranche in Deutschland und Europa, sondern lockt auch Besucher von anderen Kontinenten an.

Der „3. Algen-Boom“ geht in Richtung Bioenergie

Wie Prof. Otto Pulz, stellv. Geschäftsführer des IGV und Bereichsleiter Biotechnologie, sehr anschaulich beschrieben hat, ist der aktuelle Boom der Algenbranche nicht der erste, sondern bereits der dritte große Aufschwung für die Erforschung und Anwendung von Algen während der letzten 100 Jahre. Dabei orientiert sich der aktuelle Boom an der Bioenergie.

Die vergangenen 2 Jahre waren sehr erfolgreich und vor allem die Luftfahrt hat mit der Durchführung von Testflügen mit Algentreibstoff für Aufsehen gesorgt. Das geht soweit, dass sogar die NASA Interesse an der Gewinnung von Bioenergie aus Algen gewonnen hat. Auch bei der Abwasseraufbereitung kommen Algen zum Einsatz und werden anschließend für die Herstellung von Biodiesel genutzt.

Aber auch bei der Forschung, als Basis für innovative Anwendungen, sind größere Forschungsprojekte gestartet worden, welche auf der Konferenz angesprochen wurden. Hier eine kleine Auswahl.

  • BIOFAT zur Herstellung von Biokraftstoff aus Mikroalgen
  • EnAlgae zur Erforschung von Bioenergie aus Algen
  • MAMBO Project zur Herstellung von Biodiesel

Optimierung des Photobioreaktors  und Auswahl des idealen Algenstamms

Der schwierig zu überwindende Schritt bei der Algenkultivierung ist weiterhin der Sprung von der wissenschaftlichen Entdeckung in die praktische Anwendung.  Es stellen sich aktuell vor allem 3 Fragen, deren sichere Beantwortung als Voraussetzung für das Auslösen größerer Investitionen betrachtet werden kann.

  1. Welchen Stamm verwende ich für die Algenzucht und mit welchen Methoden kann ich diesen optimieren?
  2. Greife ich für die Kultivierung auf einen geschlossenen Photobioreaktor oder ein offenes „Open Pond  System“ zurück?
  3. Welche Wasserqualität (Süßwasser, Meerwasser, Abwasser) und biochemischen Rahmenbedingungen benötige ich für die Algenzucht?

90 Prozent aller produzierten Algenbiomasse weltweit wird in Open Ponds produziert, was auf die geringeren Kosten des Open Pond Verfahrens zurückgeführt werden kann. Deshalb sieht Prof. Mario R. Tredici der University of Florence, einer der führenden Algenfachleute weltweit, aktuell keine andere Möglichkeit als die großtechnische Kultivierung für die Gewinnung von Bioenergie in Open Ponds zu verlagern. Die hohen Kosten sind also, genau wie bei anderen Bioenergieanlagen der nächsten Generation, auch in der Algenbranche das wichtigste Hemmnis zum Aufbau einer Produktionsinfrastruktur.

Bei der Algenzucht für sehr hochwertige und teure Produkte (Kosmetik, Nahrungsmittelergänzung etc.) können die höheren Investitionskosten in einen geschlossenen Photobioreaktor aber durchaus gerechtfertigt sein.

Das IGV hat auf dem Mikroalgen Workshop passenderweise seinen neuen Photobioreaktor vorgestellt, welcher auf den Namen „HORIZON“ hört. Der HORIZON-Reaktor besticht durch ein optimiertes Design, welches auf die jahrelange Erfahrung des Instituts bei der Entwicklung von Bioreaktoren aufbaut. Ein Foto oder nähere Details kann ich an dieser Stelle leider noch nicht präsentieren, weil das Design noch nicht öffentlich zugänglich gemacht werden soll. Bei einem Besuch im IGV kann der innovative Bioreaktor allerdings bewundert werden.

Die Auswahl des passenden Algenstamms, bei mehreren tausend vorhandenen Stämmen, ist eine weitere wichtige Entscheidung bei der Zucht. Spirulina und Chlorella sind sicherlich die traditionellen Zugpferde der Branche, bekommen aber durch die stattfindende „strain collection“ zunehmend Konkurrenz von neu entdeckten Stämmen mit vielversprechenden Eigenschaften.

Bei der Analyse verschiedener Algenstämme ist es wichtig, dass die Organismen Stresstests unterzogen werden. Leider produzieren die Algen erst in Stresssituationen (Nährstoffmangel) sehr hohe Mengen an Fetten. Diese Anpassung vieler Algenorganismen ist eine nützliche Maßnahme um sich auf drohende Dürreperioden vorzubereiten und kann mit dem Vorsorgeprinzip eines Hamsters verglichen werden. Diese von der Natur sehr clever eingerichtete Überlebensmethode nutzen die Wissenschaftler, um die Organismen herauszufinden, welche besonders hohe Raten zur Fettproduktion aufweisen.

Region Berlin-Brandenburg als wichtiger internationaler Algen-Cluster

Die strain collection ist auch für den Algen-Forschungscluster in der Region Berlin-Brandenburg sehr interessant und wird bei einem aktuellen Projekt zwischen dem IGV, der Hochschule Lausitz und der Universität von Potsdam angewandt. Dieses und andere interessante Biotechnologie-Entwicklungen aus der Hauptstadt-Region werden auch auf dem neuen Biotechnologieportal BioTop Berlin-Brandenburg vorgestellt.

Algen im Internet? AlgaeObserver und Young Algaeneers!

Was wäre die moderne Algenbranche ohne eine moderne Kommunikation im Internet? Auch hierfür ist gesorgt und es gibt verschiedene Möglichkeiten, um sich an der Debatte zu beteiligen.

Zum einen gibt es den Algae Observer, den größten Blog zur Algenbranche im deutschsprachigen Raum, welcher vom Algenfachmann Timo Enderle betrieben wird. Der Blog wirft zunehmend einen Blick auf die bioenergetischen Nutzungspfade für Algen und berichtete über die aktuellsten Entwicklungen weltweit. Auf dem Algae Observer ist auch ein Artikel zum European Workshop Biotechnolgy of Microalgae erschienen, welcher die wichtigsten Geschehnisse interpretiert.

Ein weiterer wichtiger Algenimpuls geht vom wachsenden Team der Young Algaeneers aus, welche sich für die wissenschaftliche Durchdringung des Algenthemas einsetzen. Eine sehr beeindruckende Präsentation zur Biokraftstoffproduktion aus Algen kam von der Doktorandin Anne Klok von der Wageningen University die ebenfalls zu den Young Algaeneers zählt.

Sowohl der Algae Oberserver (@AlgaeObserver) als auch die Young Algaeneers (@YoungAlgaeneers) sind auch bei Twitter vertreten. BiomassMuse findet ihr unter @biomassmuse.

Die Algenbranche zählt schon heute zu den innovativsten Bereichen der Bioenergie und ich hoffe, dass die Mikro- und Makroalgen die Bioenergiebranche zukünftig noch anwendungsorientierter bereichern werden. Welche Rolle sollen die Algen in Zukunft spielen?

 

4 Kommentare zu „Aktueller Algen Boom geht in Richtung Bioenergie“

  1. Klar ist die Bioenergie eine der treibenden Kräfte in der Algenbiotechnologie – allerdings darf man hier nicht darüber hinwegsehen, dass gerade in Europa eine große Tendenz dazu besteht, sich zunächst auf Märkte für hochpreisige Moleküle aus Algen zu fokussieren. Im Gegensatz zu den USA sind externe Finanzierungen hier eher Mangelware und beim Aufbau eines nachhaltigen Geschäftsmodells muss darauf geachtet werden, auch eingermaßen kurzfristig Umsätze zu realisiseren.
    Da aber auch die Amerikaner im Zuge Ihrer Geschäftsstrategien immer wieder dazu übergehen, die Wertstoffmärkte zu bedienen, wird das ein interessantes Rennen. Es stellt sich vor allem die Frage, ob die Preise in einigen Märkten zukünftig noch auf hohem Niveau stabil bleiben werden.
    Aber auch hier in Deutschland ist das Thema Biokrafstoffe natürlich in aller Munde. Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Bereich 2012 noch einiges hören sollten…

  2. Wenn ich Herr Pulz vom IGV richtig verstanden habe, dann gab und gibt es in der Regel einige Anwendungsfelder bzw. Wirtschafszweige (Nahrungsmittelergänzung, Futtermittel, Kosmetik etc.) welche die Algenbranche für einige Jahre ziehen und im Bewusstsein der Gesellschaft und Investoren halten. Von Zugpferden zu sprechen ist vielleicht gar nicht so verkehrt, auch wenn die Zugpferde eben auch häufiger mal wechseln.

    Das grundsätzliche Ziel für eine stärkere Einbindung von Algen beim Aufbau einer BioÖkonomie hat sich aber wahrscheinlich seit vielen Jahrzehnten kaum verändert?! Mit den wechselnden Moden, bei denen mal die stofflichen und mal die energetischen Nutzungspfade dominieren, ändern sich vor allem die aktuell zu nehmenden Hürden, aber nicht das gemeinsame größere Ziel. Das ist für mich auch das Faszinierende an der Algenbranche, dass sie so vielfältig ist und in zukünftigen Bioraffinerien sicher nicht nur ein Produkt gewonnen wird, sondern viele verschiedene Erzeugnisse parallel.

    Was würdest du mit deiner langjährigen Erfahrung in der Algenbranche und jetzt beim Algae Observer empfehlen, welche 3 Unternehmen oder Projekte in Deutschland/ Europa sollte man für 2012 und 2013 stärker auf dem Schirm haben?

  3. Hi Ron, da ich beratend in der Algenbranche agiere, tu ich mich etwas schwer damit hier konkrete Namen und Projekte zu nennen. Generell werden wir hier in Deutschland einige Aktivitäten im Bereich der hochpreisigen Wertstoffe sehen. Dabei wird zunehmnend darauf geachtet, up- und downstream processing in die Projektentwicklung zu integrieren. Auch der Energie-Bereich (Kraftstoffe aus Algen) wird sicherlich noch einmal Wellen schlagen, ich gehe davon aus, dass wir hier in Kürze einige Aktivitäten sehen werden.
    Generell haben wir hervorragende F&E hier am Standort – der Schlüssel zum Erfolgt liegt (wie so oft) in der Fähigkeit Problemstellungen interdisziplinär anzugehen…

  4. Das hört sich nach sehr komplexen Bioraffinerie-Konzepten an auf die wir auch in der Algenbranche zusteuern. Gezielt in Reaktoren kultivierte Biomasse ist wahrscheinlich auch zu wertvoll, als dass wir uns leisten könnten auch nur die kleinsten Stoffströme einfach ungenutzt zu verschwenden.

    Das Problem mit dem Nennen von Namen als Berater kann ich verstehen und Namen sind während der ersten Realisierungsstufen von Konzepten auch noch nicht so wichtig, weil es noch kein Produkt gibt. Ich hoffe, dass wir beim Thema Kraftstoffen aus Algen bald erste Demonstrationsanlagen in Deutschland sehen werden!

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