Die Bioenergie-Studie der Leopoldina hat zu einem lebhaften Echo geführt, welches mit der kürzlich veröffentlichten Stellungnahme des Deutschen BiomasseForschungsZentrums (DBFZ) eine sehr sachliche und kooperative Melodie gefunden hat. Für diese doch überraschende Entwicklung, bin ich nach den Erfahrungen der vergangenen 2 Jahre sehr dankbar und freue mich, Ihnen in diesem Artikel die komplette DBFZ-Stellungnahme zur eigenen Meinungsfindung anbieten zu können.
Den großen Gewinn der gemischten und teilweise sehr dramatischen Reaktionen auf die Bioenergie-Studie sehe ich darin, dass es endlich eine breite öffentliche Debatte zum Pro und Contra der Bioenergie, sowie zur ethischen Dimension der Nutzung von Biogas und Biokraftstoffen, gibt und schwere Vorwürfe (Hunger, Regenwaldabholzung) sachlich und faktenorientiert diskutiert werden. Nur auf diesem Wege können sich Befürworter, Kritiker und Gegner der Bioenergie besser verstehen und gemeinsam Lösungsansätze für bestehende Probleme entwickeln.
Durch das Echo der Studie von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren ist eine erste konstruktive Debatte entstanden, bei der man sich gegenseitig zuhört und sachlich aufeinander reagiert. Wer glaubt, dass das eine Selbstverständlichkeit ist, sollte einen Blick auf den Tonfall, bzw. die Schlammschlacht, der Bioenergie-Debatte während der vergangenen Jahre werfen. Die auflagenstarken Medien der Presse waren leider nur selten eine Unterstützung beim objektiven Darstellen des aktuellen Status Quo zur Bioenergie. Diese Aussage möchte ich aber nicht verallgemeinern, da es einige wenige Ausnahmen vor allem in den Fachmagazinen gab.
Endlich mischen sich auch die Meinungsmacher aus Wissenschaft und Politik stärker in die Debatte ein und beziehen Stellung zu den Konflikten, welche den Ausbau der Bioenergie begleiten. Der faire Wettkampf um die vernünftigsten Argumente ist in vollem Gange und so euphorisch es klingt, das ist schon ein toller Fortschritt! Es stehen uns sicher keine angenehmen Gespräche bevor, aber am Horizont sind vielleicht schon Kompromisse zu erahnen, bei dem bestehende ökologische Risiken der Bioenergie umgangen werden können und der speicherbaren Energieform trotzdem ein ihr gebührender Platz bei der Energieversorgung von Morgen zukommt.
Der folgende Text ist die komplette Stellungnahme des DBFZ vom 08.08.2012.
Leopoldina-Studie zeigt Grenzen des Wachstums auf, liefert für die Bioenergie jedoch lückenhafte und teilweise überholte Handlungsmöglichkeiten.
Mit der Studie „Bioenergie: Möglichkeiten und Grenzen“ haben Wissenschaftler vornehmlich aus der Fachrichtung Biologie der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften einen pointierten Beitrag zur Diskussion um eine nachhaltige Energieversorgung zu leisten versucht. Sie ist erfreulich kurz und bietet eine wissenschaftlich fundierte Gesamtschau der Leistungsfähigkeit der Biomasseproduktion. Die Produktivität der Ökosysteme ist – das zeigt die Studie deutlich – begrenzt und Biomasse limitiert. Auch wenn – so die Ausführungen im Anhang – begrenzte weitere Flächenpotenziale für den Biomasseanbau vorhanden sind, sind die Wachstumsaussichten unsicher und ist entsprechende Umsicht bei der künftigen Agrarproduktion gefragt. Auch wenn die Aussagen wissenschaftlich nicht neu sind, bilden die Empfehlungen eine gute Grundlage für die stärkere Ausrichtung der Landwirtschafts- und Landnutzungspolitik auf Nachhaltigkeit, Ressourcen- und Klimaschutz.
Jedoch wurde die Studie nicht zum Aufzeigen von Handlungsnotwendigkeiten im Agrarbereich publiziert. Betrachtet man aber den Titel der Studie und die getroffenen Handlungsempfehlungen, wird durch die lückenhafte und teilweise überholte Betrachtung für die Bioenergie ein verzerrtes Bild erzeugt. So werden wichtige politische Randbedingungen übersehen und Forderungen erhoben, die bereits gelöst sind:
1. Ziele der EU
Das EU-2020-Konzept fordert 10% des Gesamtenergieverbrauchs im Verkehrssektor durch erneuerbare Energien zu ersetzen, und nicht wie in der Studie teilweise widersprüchlich dargestellt, dass 10% allein durch Bioenergie bereitgestellt werden sollen. Entsprechend der Richtlinie kann die Quote aber z. B. auch über Elektromobilität und den stromgebundenen Schienenverkehr erfüllt werden. Zudem werden bei der Berechnung des Quotenanteils für Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen doppelt angerechnet (siehe EU-Richtlinie 2009/28/EG, sog. Double counting), um so die gezielte Nutzung von biogenen Reststoffen zu fördern.
2. Berücksichtigung aller Klimagasemissionen
Anders als dargestellt, ist der Treibhausgasaufwand für die Bereitstellung von Bioenergie bei der Bewertung der Klimaeffekte sowohl wissenschaftlich etabliert als auch in ersten politischen Instrumenten berücksichtigt. Nach der EU-Richtlinie 2009/28/EG (EU RED) ist ein zu erfüllendes Kriterium für die Biokraftstoffe und flüssige Bioenergieträger die Mindestreduktion an Treibhausgasemissionen gegenüber der fossilen Referenz. Bei dieser Berechnung fließen auch die Aufwendungen aus der Produktion und Konversion der Biomasse sowie der Nutzung von Energieträgern und Hilfsstoffen ein. Der derzeitige Mindestwert von 35% Reduktion steigt für neue Produktionsanlagen bis 2018 auf 60%. Des Weiteren wird in Deutschland ab dem Jahr 2015 die Berechnungsmethodik der Biokraftstoffquote von einer prozentualen Mindestmenge auf die tatsächliche Treibhausgasvermeidung umgestellt, sodass Biokraftstoffe mit einer hohen Vermeidung gegenüber der fossilen Referenz wesentliche Vorteile (siehe Biokraftstoffquotengesetz) besitzen und damit effiziente Anreize zur hochwertigen Nutzung der begrenzten Biomassen gesetzt werden. Da diese Politikinstrumente in der Studie nicht erwähnt werden, ist zu befürchten, dass sie auch nicht in die Abwägung zum künftigen Ausbau der Bioenergie eingeflossen sind.
3. Schutz wertvoller Flächen
Durch die in der EU-Richtlinie 2009/28/EG (EU RED) geforderte Zertifizierung von Biomasse sind erste Nachhaltigkeitsanforderungen für die Biokraftstoffe und flüssige Bioenergieträger etabliert, die in Hinblick auf eine nachhaltige Agrarproduktion Vorbildcharakter haben. Eine Anerkennung bzw. Förderung erfolgt nur, wenn die Kriterien zum Anbau, der Produktion und zum Handel nachweislich, durch entsprechende Zertifizierungssysteme geprüft, eingehalten werden. Die Kriterien gelten gleichermaßen für heimische wie auch für importierte Biomassen.
4. Kosten der Bioenergie
Die in der Studie getroffene Aussage, dass von den alternativen Energietechnologien Biomasse den höchsten Preis je eingesparter Tonne CO2-Äquivalent hat, ist für die Bereitstellung von Biokraftstoffen aus Energiepflanzen sachlich richtig. Gleichwohl haben diese Biokraftstoffe – wie im zweiten Teil der Leopoldina-Studie dargestellt – infolge fehlender Alternativen zumindest mittelfristig einen hohen strategischen Stellenwert für eine nachhaltige Mobilität. Bioenergie für die Sektoren Strom und Wärme werden bereits heute zu einem großen Anteil aus Rest- und Abfallstoffen bereitgestellt. Die Nutzung dieser Substrate ist mit vielfach geringen bis sehr geringen Treibhausgas-Vermeidungskosten verbunden.
5. Import von Biomasse
Die für 2010 genannten Biomasseimportraten von über 50% für die energetische Nutzung sind nicht nachvollziehbar. In der Berichterstattung des Nationalen Aktionsplans für erneuerbare Energien der Bundesregierung an die Europäische Kommission werden rund 26% für 2010 bilanziert. Für das Jahr 2020 wird eine Verfügbarkeit von inländischer Biomasse von über 1.200 PJ erwartet.
Systemzusammenhänge und Wechselwirkungen der Bioenergie
Nicht in notwendiger Tiefe und Breite reflektiert werden zudem die Systemzusammenhänge und Wechselwirkungen der Bioenergie. Von technischen Aspekten der Kaskadennutzung über die Einordnung agrarökonomischer Verteilungsfragen zwischen Futtermitteln und Energieträgern bzw. zwischen Biomasse produzierenden und nutzenden Ländern bis hin zu den systemtechnischen Notwendigkeiten einer weitgehend auf erneuerbaren Energien fußenden Energieversorgung fehlen viele wesentliche Blickwinkel zur problemadäquaten Einordnung der Möglichkeiten und Grenzen:
1. Nutzungskaskaden für die energetische Biomassenutzung
Am Beispiel Stroh wird aufgezeigt, dass nennenswerte Potenziale zur energetischen Nutzung vorhanden sind. Allerdings fallen diese in der Studie vergleichsweise gering aus. Gleichzeitig wird festgestellt, dass ein vergleichbar großer Anteil als Einstreu in der Viehhaltung verwendet wird. Dieses Einstreu steht am Ende der Nutzung jedoch ebenfalls der energetischen Nutzung zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der Nutzungskaskade sind die Potenziale zur energetischen Nutzung also doppelt so hoch wie angegeben. Zumal – wie in der Studie festgestellt – bei der Erzeugung von Biogas ein Großteil der Nährstoffe zurück auf die Flächen geführt wird, sodass durch Schließen eines Teils der Nährstoffkreisläufe der Bedarf an mineralischen Düngern verringert wird.
2. Nahrungsmittelsicherheit versus Bioenergie
Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat ohne Wenn und Aber Priorität vor der Energieversorgung. Gleichwohl hat die Frage, welche Nahrungsmittel im Sinne der begrenzten Ressourcen, aber auch im Sinne einer gesundheitsfördernden Versorgung eigentlich benötigt werden, ihre umfassende Berechtigung. Die Studie kommt selbst zu dem Ergebnis, dass mit 60 Mio. Tonnen Kohlenstoff (C) mehr als 50% des in Deutschland vereinnahmten C als Futtermittel aufgewendet werden. Auch ein großer Teil der Biomasseimporte resultiert aus der tierischen Veredelung. Bei der Betrachtung dieser Importe muss jedoch das gesamte Außenhandelssaldo berücksichtigt werden. So ist in den vergangenen Jahren bspw. Der Außenhandel mit Fleisch und tierischen Erzeugnissen stetig gewachsen und befindet sich derzeit auf einem Rekordniveau. Der Selbstversorgungsgrad mit Fleischprodukten lag 2011 bei 117% (siehe BMELV „Fleischverbrauch 2011“). Solche differenzierten Diskussionen bedürfen der Einbindung von Agrarwissenschaftlern und Ökonomen. Gleiches gilt für die pauschale Aussage, dass Import von Stoffen automatisch zum Export von Umweltproblemen führt.
3. Alternativen zur Bioenergie
Über 60% der erneuerbaren Energien in Deutschland, Europa und weltweit basieren auf Bioenergie. Auch wenn andere Energieträger in den kommenden zwei Dekaden an Bedeutung deutlich gewinnen werden und die Energieeffizienz für den Übergang in eine nachhaltige Energieversorgung unumgänglich sind, wird Bioenergie eine tragende Rolle in der Transformation einnehmen. Ein Ausstieg aus dem Bioenergieausbau führt zumindest mittelfristig zurück in die fossile Energieversorgung, wo es aufgrund neuer Fördertechniken und der Erschließung neuer Quellen, wie Ölsanden, Schiefergas und arktischen Tiefseevorkommen, sicher nicht zu geringeren Klimagasemissionen kommt. Dies hätte der Einbindung von Systemwissenschaftlern zur Bewertung der anthropogenen Stoffströme bedurft.
Damit bleibt die Frage, ob, in welchem Umfang und mit welchen technologischen Ausrichtungen der weitere Bioenergieausbau in Deutschland erfolgen soll, unbeantwortet. Das Verfasserteam kann das nicht leisten. Umso mehr betrübt es, dass es sich trotzdem zu umfassenden Empfehlungen entschlossen hat.
Hier können Sie die DBFZ-Stellungnahme als Kritik auf die Bioenergie-Studie der Leopoldina als PDF herunterladen.
Kontakt:
Antje Sauerland
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 0341/2434-119
E-Mail: antje.sauerland@dbfz.de
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