Hohe Bedeutung des Netzausbaus für die Entwicklung der dezentralen Bioenergie

Übertragungsnetze für Strom und Wärme aus Biomasse und Nachwachsenden RohstoffenOrganisationprinzipien eines Staates und des menschlichen Körpers weisen viele Parallelen auf. Da der menschliche Staat viel jünger ist als der menschliche Körper, können sich Entscheidungsträger aus Politik und Industrie häufig vom Funktionieren des menschlichen Körper inspirieren lassen, um komplexe Probleme besser lösen zu können. Warum der Ausbau der Netze auch eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Bioenergie spielt, soll heute etwas näher beleuchtet werden.

Der Fluss der Bioenergie

Was sich auf den ersten Blick wie der Titel eines esoterischen Essays über Yoga, Chakren oder indische Weisheitslehren anhört, soll im Kern eindeutig in eine technische und energiepolitische Betrachtung gehen. Der spirituelle Aufsatz wäre sicher auch spannend, ist aber nicht mein Fachgebiet.

Der Netzausbau ist nicht einfach nur ein wichtiger Punkt für die Weiterentwicklungen der Erneuerbaren Energien, sondern vielleicht sogar DAS größte Hemmnis, dem die Durchführung der Energiewende aktuell gegenübersteht. Was nützen die meisten Biogasanlagen weltweit und zahlreiche Wind- und Photovoltaikparks, wenn die großen Mengen die an Energie bereitgestellt werden nicht effizient vom Produktions- zum Verbrauchsort transportiert werden können? Energie muss fließen und dafür benötigt sie Netze!

Es gibt Philosophen und Historiker die der Meinung sind, dass alle Probleme einer Gesellschaft nichts anderes als Verteilungsprobleme sind. Das ist sicher etwas radikal formuliert, trifft aber auf den aktuellen Entwicklungsstand der Erneuerbaren Energien in Deutschland ganz gut zu.

So als wenn der menschliche Körper zwar aus Billionen von Körperzellen besteht, die verschiedene Proteinstrukturen zusammensetzen, aber nur eine handvoll Arterien und einige hundert Kapillaren zur Verfügung stünden, um alle Zellen mit diesen Bausteinen und Energie zu versorgen. Selbst bei einem Überangebot an Energie würde es ständig zum Stau kommen und viele Orte könnten ihre überschüssig freigesetzten Energiemengen  nicht weitergeben. Etwas überspitzt und natürlich stark vereinfacht kann man sich so die aktuelle Netzsituation in Deutschland vorstellen. Elektrische Energie kann eben nur schwer auf Straßen transportiert werden.

Auch verschiedene Formen der Bioenergie („Biowärme und Biostrom“) benötigen eine entsprechende Infrastruktur, um von dezentralen Produktions- zu dezentralen Verbrauchsorten geleitet werden zu können und somit eine Marktsituation mit effizienten Verteilungsmöglichkeiten zu erreichen.

Dezentrale Energiewirtschaft hat Vorteile, benötigt aber auch Investitionen

Dezentrale Formen der Energieproduktion, wie die Bioenergie eine ist, zeigen viele Vorteile (siehe Artikel „Stärken der Bioenergie“). Übertragungswege können verkürzt und Leitungsverluste minimiert werden.

Welche Netze sollten für die Weiterleitung der Bioenergie betrachtet werden?

  • Bei den Stromtrassen vor allem der Ausbau der Verteilungsnetze bis 110 kV um Strom aus Biogasanlagen transportieren zu können
  • Auch der Ausbau der Übertragungsnetze (bis 380 kV) unterstützt die Möglichkeiten der Bioenergie
  • Erweiterung der Erdgasnetze um das Einspeiseziel von 6 Milliarden m3/ Jahr Biomethan bis 2020 zu erreichen
  • Im Bereich der Wärme werden weitere Nahwärmenetze benötigt um die Wärmemengen von in Blockheizkraftwerken verstromtem Biogas effizient zu nutzen
  • Für große Biomasseheizkraftwerke ist auch der Ausbau von Fernwärmenetzen eine zu  berücksichtigend Maßnahme

Wie die zweite DENA Studie zum Netzausbau zeigt, sind allein für den empfohlenen Ausbau von etwa 3.500 km Übertragungsnetzen bis 2020 hohe Investitionssummen nötig. Abhängig  von der verwendeten Technologie (Freileitungen, Erdverlegung) muss mit Investitionen zwischen 10 – 30 Milliarden Euro gerechnet werden. Aussagen zu den Verteilungsnetzen für Strom, dem Erdgasnetz oder den Wärmenetzen sind in dieser Rechnung noch nicht einmal berücksichtigt. Im Vergleich mit den Summen der Rettungsfonds während der Wirtschaftskrise wirken aber selbst solche Geldbeträge gering an.

Die hohen Investitionen und strukturelle Hemmnisse, wie sehr lange Genehmigungsverfahren und mangelnde Akzeptanz für den Netzausbau bei der Bevölkerung, lassen vermuten, dass der benötigte Netzausbau noch viel Zeit und Geduld erfordern wird. Für die Weiterentwicklung der Erneuerbaren Energien bilden die fehlenden Versorgungsnetze aktuell einen Flaschenhals, der überwunden werden muss. Die Bioenergie wird vom Netzausbau profitieren, hat aber gegenüber den anderen Erneuerbaren Energien einen entscheidenden Vorteil. Welcher ist das?

Netzausbau für Einspeisung von Strom aus Sonnenenergie Windparks und Biogasanlagen

Netzausbau erweitert Versorgungsgebiet von Biogasanlagen

Die Aufzählung der verschiedenen Versorgungsnetze, die für die Bioenergie relevant sind, zeigt die Flexibilität der Bioenergie. Als gasförmiger Brennstoff (Biomethan), als elektrischer Strom oder als Wärme, kann sie auf viele bestehende Netzstrukturen und deren Ausbau zurückgreifen. Biomethan wird die Anwendungsmöglichkeiten der Bioenergie noch einmal deutlich erweitern (siehe Artikel „Bioerdgas – Evolution der Bioenergie„).

Bei entsprechend gutem Konzept kann eine Biogasanlage schon heute ihr dezentrales Potential gut ausschöpfen. Entwicklungsmöglichkeiten gibt  es natürlich trotzdem und gerade beim Vorgang der Einspeisung von Gas oder Strom in bestehende Netze und die vom Netzbetreiber abgenommenen Biogas- oder „Biostrom“-Mengen sind noch Verbesserungen möglich.

Die Ideen für konkrete Änderungen in der EEG-Novelle 2011 für die Bioenergie gehen neben anderen Ansätzen auch in Richtung der gezielten Förderung von besonders energieeffizienten Biogasanlagen. Dabei könnte die Förderhöhe pro Kilowattstunde zukünftig auch an die Qualität des Wärmekonzepts der Biogasanlage (siehe Artikel zu Wärmekonzepten für Biogasanlagen) geknüpft werden. Umfassende Wärmekonzepte sind wiederum an entsprechende Wärmeabnehmer und vorhandene Nah- und Fernwärmenetzen gebunden.

Auch wenn der Ausbau der Stromnetze vor allem für die Weiterentwicklung der Sonnen- und Windenergie wichtig ist, sollten die Erneuerbaren beim Netzausbau als starkes Team auftreten, um die Energiewende voranzubringen.

Es ist häufiger die Rede von der Bioenergie als ergänzende Regelenergie für die Wind- und Sonnenenergie. Dieser Gedanke ist sehr spannend und unterstützt die Idee eines starken Energiemix, bei dem jede erneuerbare Energiequelle ihre Stärken einbringen kann.

Trotz der guten Speicherbarkeit von Bioenergie, glaube ich aber, dass ihr Potential deutlich über den Status der Regelenergie hinausreicht. Auch die Zahlen zeigen, dass die Bioenergie am Gesamtenergieverbrauch (Wärme, Strom und Transport) eine deutliche größere Rolle einnimmt als die einer reinen Regelenergie für andere Erneuerbare.

Neues Förderprogramm über 5 Milliarden Euro für die Kraft-Wärme-Kopplung angekündigt

Unabhängig davon, welches Investitions-Szenario beim Netzausbau den Zuschlag erhalten wird, bleibt eine lange Zeitspanne bestehen, die bis zur Umsetzung überbrückt werden muss. Bis dahin gibt es schon heute regenerative Energiequellen und Technologien, welche den Bedarf an Strom und Wärme für einen Standort gleichzeitig decken kann. Es wird nicht überraschen, dass ich hiermit die Bioenergie meine.

Bei der Frage nach der energieeffizienten Umwandlung von Biomasse kenne ich momentan vor allem die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Das singuläre Nutzen der nachwachsenden Rohstoffe zur Wärmeerzeugung (z.B. in Heizkesseln) ist eine wichtige Ergänzung und kann auf Grund der geringeren Anschaffungs- und Wartungskosten in einigen Fällen die ausreichende Lösung sein. Aus der Sicht der Energieeffizienz reicht aber nichts an die Nutzung von Blockheizkraftwerken (siehe Rubrik zu Blockheizkraftwerken und Bioenergie) heran.

Vor einige Tagen hat Franzjosef Schafhausen, der für die Unterabteilung „Umwelt und Energie“ des Bundesumweltministeriums zuständig ist, versichert, dass das Thema KWK dem Minsiterium „sehr am Herzen liege“. Und um dieses Zugeständnis auch mit handfesten Zahlen zu untermauern, kündigte er an, dass es in naher Zukunft ein weiteres KfW-Kreditprogramm über 5 Milliarden Euro geben werde.

Die Kritik verschiedener Verbände am Energiekonzept der Bundesregierung war, dass die Kraft-Wärme-Kopplung viel zu kurz gekommen ist. Das angekündigte Förderprogramm könnte die Kritiker beruhigen und der effizienten KWK-Technologie die Bedeutung einräumen, die sie verdient!

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