Die Bioenergie ist moderner als die Meisten glauben

Zugegeben, die Bioenergie zählt innerhalb der Familie der erneuerbaren Energien nicht zu den Mitgliedern, an die man bei revolutionären Visionen zur Energieversorgung zuerst denkt. Dafür ist sie zu eng mit der Verbrennungstechnologie verknüpft und der Betrieb einer Biogasanlage macht einen zu „dreckigen“ Eindruck für eine klassische „Clean Tech Vision“. Konzepte der Photovoltaik (Desertec) oder die Elektromobilität eignen sich hier schon besser und ich kann sie mir leichter in Science-Fiction-Filmen von Christopher Nolan (Inception, Batman etc.) oder den Wachowski-Geschwistern (Matrix-Trilogie, Cloud Atlas) vorstellen. Aber man sollte die energetische Nutzung von Biomasse nicht unterschätzen und auch hier gibt es innovative Konzepte für die Energiegewinnung und es kommen moderne Technologien zum Einsatz. Einige Konzepte werden in diesem Artikel vorgestellt.

Nachhaltige Energieträger als Exportschlager

Die flüssige Bioenergie, konkret die Branche der Biokraftstoffe, unterliegt dem härtesten Entwicklungsdruck innerhalb der Bioenergiebranche. Ich würde sogar soweit gehen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Bioethanol & Co direkt mit deren Weiterentwicklung verknüpft ist. Wenn es einen Energieträger aus der Familie der erneuerbaren Energien in Deutschland mit einem Imageproblem gibt, dann sind das mit Sicherheit die Biokraftstoffe.

Aber die Branche ist bemüht, aus der Not eine Tugend zu machen und nutzt die teilweise sehr heftige Kritik (Tank-oder-Teller, Regenwaldabholzung, ILUC), um sich den Änderungswünschen der Verbraucher anzupassen und reagiert mit den höchsten Umweltstandards innerhalb der gesamten landwirtschaftlichen Produktion. Beim Aufbau von Zertifizierungssystemen für die Gewährleistung der Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen ist die Branche ein Vorreiter und steht Modell für andere landwirtschaftliche Produktionssysteme weltweit. Mittelfristig können die Pioniererfahrungen der Biokraftstoffbranche auch von der stofflichen Nutzung von Biomasse (Textilien, Kosmetik, Schmierstoffe etc.) und vom Nahrungsmittelanbau übernommen werden. Die Standards zur Nachhaltigkeit der Bioenergie-Produktion könnten mittelfristig von allen Pfade der Biomassenutzung übernommen werden. Als Beispiel möchte ich die breite Nutzung von Palmöl anführen.

Grafik zeigt globale Nutzung und Anwendungspfade von Palmöl

Konzepte zur Zusammenführung von fester, flüssiger und gasförmiger Bioenergie

Ein konkretes Beispiel für ein Biokraftstoff-Konzept der zweiten Generation ist die Herstellung von biomass-to-liquid-Kraftstoffen (BtL). Im sächsischen Freiberg wurde von der Choren Industrietechnik GmbH hierzu eine Pilotanlage in Betrieb genommen. Das Ziel des staatlich geförderten Projekts ist die Nutzung von heimischer Biomasse, die nicht in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion steht (Holz, organische Abfälle), um daraus einen hochwertigen Biokraftstoff zu gewinnen. Mit einer Produktionsleistung von 18 Millionen Litern SunDiesel ist die Pilotanlage des Vorzeigeprojekts im Jahr 2009 in Betrieb gegangen. Leider musste die Anlage bereits 2 Jahre später Insolvenz anmelden, wobei dafür Managementprobleme als Grund genannt werden.

Trotz des vorübergehenden Rückschlags würde ich das technologische Konzept hinter den BtL-Kraftstoffen nicht als „Hirngespinst“ bezeichnen. Pilotprojekte sind kein Garant für den Erfolg und dienen vor allem dazu, dass Erfahrungen beim UpScale von Verfahrenstechnik gewonnen werden können. Die Funktionstüchtigkeit der Technologie wird in Freiberg auch nicht bestritten. Letztlich geht es darum, das Choren-Verfahren bei der Entwicklung zur Marktreife zu unterstützen. Das Grundkonzept der BtL-Kraftstoffe basiert auf der hydrothermalen Karbonisierung (HTC), wobei Biomasse unter hohen Drücken und Temperaturen chemisch aufgeschlossen wird. Auch die verwandten Verfahren der Pyrolyse oder Torrefaction befinden sich in der Entwicklung und versprechen nützliche Technologien zur Aufbereitung von Biomasse zu Bioenergieträgern.

Foto zur modernen Bioenergie

Die Herstellung von Cellulose-Ethanol ist ebenfalls ein visionäres Konzept zur Weiterentwicklung der Bioenergie. Bei dem Bioethanol der zweiten Generation wird ebenfalls auf Pflanzenbestandteile (Cellulose) zurückgegriffen, die nicht als Nahrungsmittel geeignet sind. Mit biotechnologischen Verfahren (enzymatischer Katalyse) wird die Biomasse aufgeschlossen und der menschlichen Nutzung zugänglich gemacht. Mitte 2011 hat die Süd-Chemie eine Pilotanlage zu diesen Biokraftstoffen in Betrieb genommen, die eine Produktionskapazität von 2.000 Jahrestonnen auf die Waage bringt.

Es kann festgehalten werden, dass sich die verschiedenen Biokraftstoffe der nächsten Generation irgendwo zwischen Vision und Realität befinden.

Das war die erste Hälfte meines Artikels in der aktuellen Ausgabe der Energiefacetten. Die Fortsetzung dieses Artikels und alle anderen Artikel finden Sie in der aktuellen Energiefacetten-Ausgabe mit dem Thema: „Hirngespinst oder Vision?“

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