Direktvermarktung von Bioenergie: Vom Anlagenbetreiber zum Stromanbieter

Die Zukunft der Biogasbranche in Deutschland steht aktuell unter einem omnipräsenten Fragezeichen. Das haben spätestens die Gespräche auf der Jahrestagung Biogas Ende Januar in Leipzig gezeigt. Die Branche ist auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen und probiert verschiedene Wege, um trotz Strompreisbremse und EEG-Reformen weiterhin zu bestehen, beziehungsweise zu wachsen. Eine der aktuell interessantesten Möglichkeiten ist dabei das Experimentieren mit der Direktvermarktung von Ökostrom. Wie allgemein bekannt ist, langweilen sich vor allem die Betreiber von ländlichen Biogasanlagen den Großteil des Tages und wissen nicht wohin mit ihrer freien Zeit. Da liegt es nahe, dass man sich auf seinem Landsitz inmitten des massig angehäuften Geldes bei einer Tasse Tee oder einem Glas Wein auch mal mit dem komplexen Thema der Direktvermarktung auseinandersetzt. Spaß beiseite, vielen Betreibern ist bewusst, dass sie sich früher oder später mit der komplizierten Energievermarktung beschäftigen müssen, wenn sie mittelfristig das Optimum aus ihrer Investition herausholen möchten. Das Auftreten als Stromanbieter scheint aktuell der einzige Weg zu sein, um in der turbulenten Energiewende Oberwasser zu behalten.

Foto Direktvermarktung als Leuchtturm

Der Leuchtturm der Direktvermarktung

Während in Frankreich geplant ist, den Bestand der Biogasanlagen von aktuell 90 auf über 1.000 im Jahr 2020 anzuheben, ist die große Boomzeit des Anlagenzubaus in Deutschland vorerst vorbei. Bei annähernd 8.000 realisierten Biogasanlagen und der unangefochtenen Pole-Position im Bereich Biogastechnologie weltweit, ist die reduzierte Ausbaugeschwindigkeit aber nicht nur etwas, worüber wir in Deutschland klagen sollten. Ich mache das selbst häufig und als Bioenergie-Blogger geht die Krise der gasförmigen und flüssigen Bioenergie auch an mir nicht vorbei. Geld verdiene ich deshalb vor allem mit dem Erstellen von Internetauftritten bei MeisterWebseiten.de. Und trotzdem kann die Biogasbranche hierzulande auch stolz darauf sein, was sie in den vergangenen Jahren erreicht hat.

Das hartnäckige Problem bleibt allerdings bestehen, dass eine Branche ohne Wachstum und neue Aufträge automatisch in eine Krise rutscht. Und während die Anlagenhersteller in Frankreich in eine goldene Zukunft schauen, in der in den kommenden Jahren ein Investitionsvolumen von 2 Milliarden Euro und zahlreichen neuen Arbeitsplätzen erwartet werden, kommt es hierzulande zu zahlreichen Entlassungen und Umsatzeinbrüchen. Aber Not macht bekanntlich erfinderisch.

Da der große Zubau von Biogasanlagen der vergangenen Jahre vermutlich ausbleiben wird, braucht die Biogasbranche andere Felder um die eigene Position in der sich wandelnden Energieinfrastruktur zu stärken. Und was kommt nach der Produktion von Ökostrom? Ganz genau, sein Vertrieb und Handel! In diesem vielversprechenden Dienstleistungssektor innerhalb des liberalisierten Energiemarkts steht die gesamte EE-Branche noch ganz am Anfang – leider und zum Glück. „Leider“, weil noch viel Arbeit auf die an staatliche Subventionen gewöhnte Branche zukommt, um die komplizierten Anforderungen des Stromhandels für die dezentralen Energieanlagen zu erfüllen. „Zum Glück“ für die Bioenergie, weil der Handel von Ökostrom aus Biogasanlagen eine der größten Stärken der Bioenergie noch unterstreicht.

Der Produzent der Bioenergie wird zum Stromanbieter und -händler

In vielen Punkten unterliegt Bioenergie teilweise heftiger Kritik. Als Stichworte seien hier nur Vermaisung, Tank-Teller oder die Abholzung von Regenwald genannt. In einem Punkt scheinen sich Kritiker und Befürworter jedoch einig zu sein. Bioenergie ist neben der Wasserkraft aktuell und auf absehbare Zeit (?!) die einzige erneuerbare Energie, die in großen Mengen, technisch unkompliziert und bezahlbar speicherbar ist. Die zukünftige Rolle von Biogas & Co im Zuge der Energiewende wird damit deutlich. Bioenergie ist die wichtigste Regelenergie, die wir innerhalb der Gemeinschaft der Erneuerbaren haben. Flexibel in seiner Erzeugung ist Strom aus Biomasse grundlastfähig und kann die temporär sehr erfolgreiche Wind- und Sonnenenergie ideal ergänzen. Von einer stärkeren Marktnähe der gasförmigen Bioenergie profitieren deshalb nicht nur die Betreiber von Biogasanlagen, sondern die gesamte Branche der Erneuerbaren. Soweit zu dem zentralen Vorteil der Bioenergie im Strommarkt.

Der Strommarkt ist eine Welt für sich und der Stromhandel an der EEX in Leipzig beeindruckt mit seiner Transparenz und mathematischen Komplexität, aber auch mit einer moralischen Gleichgültigkeit wie man sie beim abstrakten Börsenhandel befürchtet. Ich stehe den schwer durchschaubaren Mechanismen an großen Handelsplätzen genauso kritisch gegenüber, wie viele andere Mitbürger auch, gebe aber zu, dass ich mich der Faszination für die Möglichkeiten einer Strombörse nur schwer entziehen kann. Prinzipiell ist hier jeder Energiehändler gleich und es kommt vor allem darauf an, die passenden Märkte für seine kleinen oder großen Energieprodukte zu finden. Und die Bioenergie kann auf Grund ihrer Eigenschaften Märkte bedienen, die kaum eine andere erneuerbare Energiequelle bedienen kann. Der Schlüsselbegriff lautet hierbei Direktvermarktung, durch die der Stromproduzent zum Stromanbieter wird.

Hier finden Sie einige grundlegende Informationen zur Direktvermarktung von Bioenergie und den Änderungen im EEG 2012 (inklusive Marktprämie und Flexibilitätsprämie).

Viele private Stromkunden suchen ihren Stromanbieter heutzutage über das Internet, welches mit Vergleichsplattformen wie Stromanbieter.net über aktuelle Angebote der verschiedenen Stromanbieter informiert. Ein Luxus, der auch in Deutschland dazu geführt hat, dass viele Endkunden ihre Energieverträge deutlich häufiger wechseln, als noch vor 10 Jahren. Verbraucherschützer und das Bundeskartellamt empfehlen Stromkunden seit Jahren, sich über die Möglichkeiten eines Stromanbieterwechsels zu informieren.

Anbieter für Direktvermarktung mit einem Schwerpunkt Bioenergie

Was können Anlagenbetreiber tun, die sich für die Direktvermarktung (§ 33a/b,EEG) öffnen, den Ausstieg aus dem EEG-Vergütungsmodell (§ 16,EEG) aber nicht in Eigenregie organisieren möchten? Hierfür gibt es mittlerweile zahlreiche Anbieter, die bei der Vermarktung von Ökostrom helfen.

Die zentrale Dienstleistung der Direktvermarkter liegt darin, dass sie ein Portfolio von erneuerbaren Energieanlagen aufbauen, um auf diesem Wege eine kritische Masse an erneuerbaren Erzeugungskapazität zu erreichen. Anschließend werden die Anlagen so zusammen geschaltet, dass ein virtuelles Kraftwerk (regeneratives Kombikraftwerk) entsteht. Dieses wird so betrieben, dass es nachfrageorientiert Ökostrom erzeugt, der dann an der Strombörse gehandelt wird.

Ein im März veröffentlichter Film der Agentur für erneuerbare Energien (AEE) stellt eine Vision für die Energieversorgung der Zukunft mit Hilfe von regenerativen Kombikraftwerken vor. Gemessen an den aktuellen Entwicklungen der Energiewende-Debatte scheint der Film sehr optimistisch. Auf der anderen Seite können wir Utopien dieser Art sehr gut gebrauchen!

In einer der letzten Ausgaben der Zeitung Energie & Management (E&M), von der ich seit Jahren zufriedener Leser bin, wurde eine Umfrage bei Direktvermarktern von Ökostrom in Deutschland veröffentlicht. Diese hat gezeigt, dass von den rund 25 GW Anlagenkapazität die sich bereits in der Direktvermarktung befinden, über 80 Prozent auf Windenergieanlagen basieren. Der Marktführer bei der Direktvermarktung von Ökostrom ist das norwegische Unternehmen Statkraft Markets mit einer Kapazität von 7.850 MW.

Hier finden Sie die 5 größten Anbieter für die Direktvermarktung mit Portfolios für Bioenergie.

  • Clean Energy Source (Leipzig): 2.100 MW gesamt, 400 MW Biomasse
  • Next Kraftwerke (Köln): 400 MW, 290 MW Biomasse
  • Energy2Market (Leipzig): 2.470 MW gesamt, 250 MW Biomasse
  • RWE Energiedienstleistungen (Essen): 319 MW gesamt, 42 MW Biomasse
  • Bischoff & Dietze Energy (Hamburg): 400 MW gesamt, 30 MW Biomasse

Es überrascht nicht, dass die beiden größten Direktvermarkter von Bioenergie (Clens, Energy2Market) in Leipzig ansässig sind, wo die Strombörse EEX und das

Deutsche BiomasseForschungsZentrum (DBFZ) positioniert sind. Der aktuelle Stand von Bioenergieanlagen die sich in der Direktvermarktung befinden, liegt noch unter 1.000 MW. Die vorliegende Gesamtleistung von etwa 3.200 MW, die allein die gasförmige Bioenergie auf die Waage bringt zeigt, dass das Potential der Bioenergie-Direktvermarktung noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Was denken Sie über die Direktvermarktung von Ökostrom und zukünftig vielleicht auch Ökogas? Nützt diese der Bioenergie, beziehungsweise den erneuerbaren Energien insgesamt oder gefährdet ihre Komplexität die Weiterentwicklung einer dezentralen Energiewende?

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