Der Entwicklungsstand und die Technisierung der Landwirtschaft sind in Schwellenstaaten wie Indien und China im Vergleich mit Industriestaaten wie den USA oder Deutschland noch relativ gering ausgeprägt. Das gilt vor allem für die Vielzahl der kleinen Betriebe mit Ackerflächen um die 10 Hektar. Die Wachstumspotentiale der Landwirtschaft sind gewaltig, was viele Chancen bietet, aber auch zu Problemen führt.
Über die Situation der Bioenergie in ländlichen Regionen Chinas habe ich schon in einem früheren Artikel berichtet. Dort führt die Einrichtung von Kleinstbiogasanlagen, die zum Großteil auf dem Inputstoff Tierdung basieren, zu einer Verbesserung der Lebensqualität der Landwirte.
Internationale Zusammenarbeit im Bereich der Bioenergie
In Indien wird auf ähnlich positive Entwicklungs-Effekte durch die stärkere Integration der Bioenergie gesetzt, die sich jenseits der direkten Verbrennung von Holz bewegt. Mit Gemeinschaftsprojekten nach dem Konzept des Public Privat Partnership (PPP) sind auch deutsche Firmen und Organisationen an der Umsetzung dieser Ziele Indiens beteiligt.
Vor allem das partnerschaftliche Engagement zwischen der GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit ), der Envitec Biogas AG und dem indischen Unternehmen MPPL Renewable Energy Pvt. Ltd. ist sehr fruchtbar angelaufen. Es entsteht eine Win-Win-Situation bei der sich internationale, technologische und regionale Kompetenzen verbinden. Bisher wurden bei dieser Partnerschaft Biogasanlagen mit insgesamt 12 MW elektrischer Leistung errichtet und weitere 18 MW sollen in diesem Jahr folgen.
Unterschiede der Biogasanlagen zwischen Indien und Deutschland
Unterschiede in der verwendeten Verfahrenstechnik zwischen Deutschland und Indien bei der Installation der Biogasanlagen hängen vor allem mit den unterschiedlichen klimatischen und infrastrukturellen Ausgangsbedingungen zusammen.
So sind die Biogasanlagen in Indien nicht so umfangreich mit praktischen, aber komplizierten MSR-Technologien ausgestattet. Beim Ausfall von Automatisierungstechniken kann eine Wartung durch einen Spezialisten nötig sein, ohne welche die geplanten Laufzeiten der gesamten Anlage gefährdet werden können. Eine Vereinfachung, welche durch die langjährige Erfahrung der GTZ bei ihrer Tätigkeit in Schwellenländern angeregt wurde.
Außerdem kann beim Betrieb der Anlage auf die eingelassene Fermenterheizung verzichtet werden, da die höhere Durchschnittstemperatur in Indien für die Umsetzungsraten der Mikroorgansimen eine gute Grundlage bietet. Im Gegenteil muss der Fermenter bei Temperaturen jenseits der 40°C sogar gekühlt werden, da die praktischen Erfahrungen mit dem Betrieb von Biogasanlagen im thermophilen Bereich (um die 55°C) noch relativ gering sind. Die Nutzung der bei der Verstromung des Biogases anfallenden Abwärme kann mit Hilfe von Wärmepumpen aber direkt zum Kühlen verwendet werden.
Inputstoffe für Biogasanlagen in Indien sind vor allem:
- Gülle
- Festmist
- Gemüseabfälle
- Grünschnitt
- Reis
- Hirse
Potentiale des Einsatzes von Biogasanlagen in Indien
Die Möglichkeiten, welche der stärkere Einsatz von dezentraler Bioenergie einer ländlichen Region, und vor allem den ländlichen Regionen eines Schwellenlandes wie Indien, bieten kann, sind vielfältig.
Die Elektrifizierung der ländlichen Regionen soll mit Hilfe des Rural Electrification Programms stark zunehmen. 90% der ca. 50.000 indischen Dörfer, die aktuell noch nicht mit Strom versorgten werden können, sollen bis zum Jahr 2020 über eine eigene Stromversorgung verfügen. Betrachtet man die gesamte Landbevölkerung Indiens, dann verfügen im Moment noch 55% aller Bewohner über keine eigene Stromversorgung.
Den zahlreichen Landwirten Indiens wird eine weitere Möglichkeit geboten ihre Ernte (oder Teile ihrer Ernte) an Anlagenbetreiber von Biogasanlagen zu verkaufen oder als Dorfgemeinschaft und mit Hilfe von Mikrokrediten eine eigene Anlage zu bauen. Die Lage viele Landwirte ist so problematisch, dass auf Grund der aussichtslosen finanziellen Situation die Selbstmordrate in einigen Regionen stark angestiegen ist. Eine Ursache für diese traurige Entwicklung ist die starke Abhängigkeit von internationalen Saatgutunternehmen. Die dramatischen und komplexen internationalen Zusammenhänge kommen in einem sehr kritischen Film über das Unternehmen Monsato zur Sprache, welchen ich in einem früheren Artikel vorgestellt habe.
Die finanziellen Potentiale für indische Anlagenbetreiber sind auf dreifache Weise zu realisieren:
- Vergütung für die Einspeisung von „Biostrom“ ähnlich dem Konzept des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (ca. 7.5 cent/ kWh)
- Verkauf von CO2-Zertifikaten
- Verkauf der Gärsubstrate als Dünger
Das energiewirtschaftliche Potential für Strom aus Biogas ist riesig. So bietet den Angaben der GTZ folgend allein die Nutzung der gegenwärtig in Indien anfallenden Abfälle ein bioenergetisches Potential (elektrisch) von 30 Gigawatt!
Weitere Informationen und Zahlen zur Verwendung von Biomasse in Indien finden Sie auf dem Indiaenergyportal.org.
Inspiriert wurde ich zu einem Artikel über die Bioenergie in Indien durch einen schönen Bericht in der Ausgabe der „Energie & Management“ vom 15.April von Dierk Jensen.