Dämpfer für die aufstrebende Algenbranche durch wissenschaftlichen Artikel?

In den vergangenen Monaten konnte ich über sehr viele positive Nachrichten innerhalb der Algenbranche berichten. Heute möchte ich auf einen Dämpfer eingehen, welchen die Algenforschung und Algenzucht durch eine wissenschaftliche Veröffentlichung erhalten könnte.

Was ist passiert?

Am 19. Januar 2010 wurde von der University von Virginia (USA) ein Artikel (Link) im wissenschaftlichen Magazin Environmental Science & Technology veröffentlicht, welcher sich mit der life cycle analysis (LCA) von Algen beschäftigt und in welchem Algen mit terrestrischen Anbausorten wie Raps, Miscanthus und Getreidearten verglichen wurden. Dem Bericht zur Folge haben Algen im direkten LCA-Vergleich mit den Landpflanzen sowohl beim Energieverbrauch, bei der CO2-Bilanz (carbon footprint) und beim Wasserverbrauch schlechter abgeschnitten. Die Resultate werden vor allem auf die hohen Düngermengen zurückgeführt, welche die sehr schnell wachsenden Organismen benötigen.

Meinung der European Algae Biomass Association (EABA)

Die EABA befürchtet einen zu emotionalen Umgang mit den Erkenntnissen, welcher eventuell zu förderpolitischen Reaktion führen  könnte, die zum Abflauen der Algentechnologie beitragen. Außerdem vertritt die EABA bezüglich vieler der vorgebrachten Kritikpunkte eine grundsätzlich andere Meinung (siehe Link). So ergeben ihre Untersuchungen, dass gerade durch die Verwendung von Algen für die Herstellung von Biokraftstoffen der Ausstoß von Treibhausgasen stark reduziert wird. Um auf die Ergebnisse aus Virginia zu reagieren, wurde für die kommenden Monate ein eigener Bericht angekündigt, welcher den LCA von Algen betrachtet. Nach einer Kritik (Link) von Federica Dalamel de Bournet, Analyst bei der Cleantech Group (London),  sind die verwendeten Standards für die Erstellung der LCA schwer vergleichbar und basieren auf einer zu unterschiedlichen Datengrundlage.

Mein Fazit zu den Kritikpunkten an der Algennutzung

Algen sind die ältesten Lebewesen der Welt und haben mehrere Milliarden Jahre an Evolution hinter sich gebracht. Es widerspricht deshalb meinem Glauben an die Evolution, dass Algen schlechter an ihr Ökosystem angepasst sein sollen als die viel jüngeren Landpflanzen und die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen weniger effizient zum Aufbau von Biomasse nutzen.

Dass in der Algentechnologie der Anbau noch nicht optimal durchführt wird und durch Düngung, Ernte und Aufbereitung noch ein zu hoher Verbrauch an Energie und Wasser stattfindet, ist aber durchaus vorstellbar. Allerdings können alle 3 Prozesse noch gut weiterentwickelt werden und befinden sich erst am Anfang der Prozessoptimierung. Deshalb glaube ich, dass es vor allem auf das WIE des Algenanbaus ankommt.

Wenn es um Themen wie den Verbrauch von Wasser, Energie und die Produktion von Treibhausgasen geht, dann reagiert die Öffentlichkeit und somit die Politik zu recht sehr empfindlich, manchmal aber wahrscheinlich auch etwas zu hektisch. Deshalb sollte man  beim Verröffentlichen von so leicht missverständlichen Studien meiner Meinung nach besonders behutsam umgehen.

Die USA haben im Januar (Link zu einem Artikel) die Ausgaben von 80 Millionen Dollar für die Forschung an Biokraftstoffen beschlossen, welche zu einem großen Teil in die Algenforschung fließen sollen. Das halte ich für einen sehr vernünftigen Schritt. Wenn man weiß, dass eine Technologie viele bisherige Probleme der Biokraftstoffproduktion lösen kann (siehe unten), aber wie jede Technologie natürlich auch ihre Schwachpunkte aufweist, dann sollte man in die Erforschung dieser Technologie investieren, um  sie als weitere Alternative zu den bisherigen Methoden aufstellen zu können.

Probleme der Biokraftstoffbranche, welche Algen lösen können

  • Stoppen des Landflächenverbrauchs
  • keine Regenwaldabholzung
  • keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
  • Schließen von Kreisläufen durch Nutzung von Abwasser

Was ist eure Meinung zum kontrovers diskutierten Thema?

8 Kommentare zu „Dämpfer für die aufstrebende Algenbranche durch wissenschaftlichen Artikel?“

  1. Einen kritischen Beitrag zur Algenbiotechnologie gab es auch in der F.A.Z am17.02.2010 („Wer zaubert Biosprit aus dem grünen Topf?“, siehe faz.net). Anlass war die Dechema-Veranstaltung zur Algenbiotechnologie. Einen Kommentar zum F.A.Z.-Artikel gibt es hier: http://tinyurl.com/ygzz6mk („Gebt dem Grünzeug Zeit“).

  2. Hallo, vielen Dank für diese spannende Reflexion auf der Seite Zeilenwechsel. In vielen Punkten spricht mir der Artikel direkt aus dem Herzen. Das neue Technologien entweder als hop oder top bewertet werden und diese Bewertung manchmal zu wenig von wissenschaftlichen Argumenten, sondern von gesellschaftlichen Moden abhängt, ist sehr schade. Eine komplexe Technologie wie die der Algenzucht benötigt natürlich Zeit um verschiedene Kinderkrankheiten ablegen zu können und soweit zu reifen, dass sie einer Gesellschaft großen Nutzen bringt. Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass die Darstellung der Chancen der Algentechnologie (und von Technologien allgemein) in den Medien möglichst nüchtern und vielleicht einen Tick langweilig und weder übertrieben träumerisch noch zu einseitig verreißend stattfindet. Auf der anderen Seite ist es aber auch sehr spannend, wenn intensiv und leidenschaftlich über das Pro und Contra der Algen diskutiert wird und zeigt wieviel Potential in der Technologie steckt!

  3. Verständlicherweise (aufgrund der aktuellen Klima- und Energieversorgungssituation) dreht sich aktuell in der Diskussion bezüglich Mikroalgen alles um zwei Themen: CO2-Minderung und Biokrafstoffe.
    Ich denke, die Reduktion der Algentechnologien nur auf diese zwei Themen ist mit einem beträchtlichen Schadenspotential verbunden. Die Erwartungen sind hoch und wenn der Erfolg sich nicht kurzfristig einstellt wird die gesamte Branche darunter leiden. Nach meiner Einschätzung brauchen die Technologien die derzeit Reifen, definitiv noch Zeit um industriell nutzbar zu werden. Das CO2-Minderungspotenzial ist begrenzt, Biokrafstoffe aktuell noch nicht ökonomisch darstellbar.
    Zum Glück wird die Diskussion hier in Deutschland oft eher faktenbasiert geführt. Neben den oben genannten Themen bieten Algen noch viel Potenzial in Gebieten wie Arzneimittel, Feinchemikalien, Antikörper etc., dass erschlossen werden sollte.

  4. Es ist allgemein bemerkenswert, wie unterschiedlich Technologien dargestellt und mit welchem Etikett sie versehen werden. Aktuell zu bewundern in der Berichterstattung zum Genfer Autosalon. Das Elektro-Auto wird tatsächlich als Null-Emissions-Auto dargestellt – der Strom kommt ja aus der Steckdose. Das ist Augenwischerei in Vollendung. Eine Frage am Rande: werden Elektro-Autos die Rufe nach mehr Atomkraft und Laufzeitverlängerungen zunehmen lassen? Der Mehrbedarf an Energie ist durch Erneuerbare mittelfristig wohl kaum zu stemmen.

    Auf der anderen Seite will man, wie in cofactors Kommentar bemerkt ist, die CO2-Last den Algen übertragen, wohl wissend, dass dort das Problem nicht gelöst werden kann. Das wird dann wiederum angeführt, um die Algenbiotechnologie in Frage zu stellen. Ich habe den Eindruck, es wird mit vielerlei Maß gemessen, und eine objektive, ganzheitliche Bewertung der Technologiebeiträge wird nicht angestrebt.

    Im Übrigen: CO2 werden wir nur senken können, wenn viele Technologien sinnvoll kombiniert werden. Technologische Alleingänge sind nicht möglich – dies zur Entlastung der Algenbiotechnologie.

  5. Das sich auf so vielen verschiedenen Wegen leidenschaftlich für die Reduktion des C02 Ausstoßes und einen Wandel in der Energiewirtschaft eingesetzt wird, finde ich sehr erfreulich und eine breite Streuung an Ideen und Konzepten ist sicher vernünftig. Ich glaube das Problem ist, dass die wissenschaftliche Objektivität bei der Etablierung einer Technologie auf den Märkten oft etwas leiden muss. Immerhin geht es ab diesem Punkt viel um Marketing und den Verkauf eines Produkts und die Verlockung ist bestimmt groß, neue wissenschaftliche Erkenntnisse nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen zu interpretieren. Ich bin gar nicht sicher, in wie fern man sich von dieser Geisteshaltung als Unternehmer wirklich frei machen kann oder sollte.

    Das sich dann allerdings selbst Branchen mit ähnlichen Technologien und Zielen, wie z.B. Algenzucht und Solarwirtschaft eher als Konkurrenten anstatt als Partner auf einem Parkett wiederfinden, ist irgendwie verschenktes Potential und Verschwendung an Energie. Wenn Wissenschaftler und Unternehmer es an diesem Punkt schaffen, sich so zu verständigen, dass sowohl das Streben nach Wahrheit, aber auch nach betriebswirtschaftlichem Erfolg vereint werden kann, steht gerade die Algentechnologie auf einem sehr guten Fundament.

    Hier ist noch ein spannender Link zu einem aktuellen Artikel von 2 Wissenschaftlern zum stofflichen Potential von Algen. Kann sein, dass ihr den beide schon kennt, aber dann kann man den Tab ja auch schnell wieder zumachen… :-) http://bit.ly/cT6rMm

  6. Den Artikel kannte ich schon :-) Danke trotzdem!
    Ich denke schon, dass zum effizienten Verkauf eines Produktes auch ein gewisser Spielraum in Interpretation der Möglichkeiten gegeben ist (fällt unter Marketing ;-)). Und Fakt ist auch, dass sich über die Diskussion in Richtung CO2-Minderung und Biokrafstoffe einiges an positiver Aufmerksamkeit für die Algenbiotechnologie ergeben hat. Allerdings sind mir auf meinem Weg durch die „Szene“ ein ganzer Haufen Scharlatane untergekommen die den Ruf der ganzen Branche ruinieren könnten. Auch die Versprechungen von einigen (mit VC Geld vollgestopften) US-Unternehmen bezüglich der kurzfristigen Realisierung von Biokrafstoff aus Algen zu aktuellen Marktpreisen halte ich für bedenklich. Der erste große Ruck ging durch die Branche, als Greenfuel (DER Vorreiter im Bereich Algen) letztes Jahr unvermittelt in die Insolvenz ruschte. Deswegen schätze ich das eher vorsichtige Vorgehen deutscher und europäischer Unternehmen.
    Es findet übrigens eine interessante Veranstaltung zur Algenbiotechnolgie im Juni in Nuthetal (Nähe Berlin/Potsdam) statt: http://www.microalgal-biotechnology.com/

  7. Ich hab jetzt auch den Artikel von J. Müller-Jung in der FAZ gelesen und da wird die Algenzucht ja wirklich scharf unter die Lupe genommen.

    In Bezug auf den hohen Energiebedarf innerhalb der verschiedenen Verfahrensschritte bei der Algenzucht (vor allem Heizen, Kühlen, Trocknen) würde ich vorschlagen, dass man sich auch mit Betreibern von Biogasanlagen zusammensetzt. Denn die Biogasbranche ist ja aktuell händeringend auf der Suche nach innovativen Wärmenutzungskonzepten, um die Betriebswirtschaftlichkeit der Anlagen zu steigern. Ich könnte mir vorstellen, dass mittelfristig eine Zusammenarbeit zwischen Biogasproduktion und Algenzucht gerade in Deutschland (KWK Vergütung im EEG) sehr sinnvoll sein könnte.

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