Einordnung von Gülle als Abfall kann Entwicklung von Gülle-Biogasanlagen gefährden

Gülle wird im novellierten Kreislaufwirtschaftsgesetz als Abfall eingeordnet. Die Verwendung von Gülle in Biogasanlagen unterliegt somit zukünftig dem Abfallrecht. Das hat weitreichende Auswirkungen für Betreiber von Biogasanlagen die auf Gülle als Substrat zurückgreifen. Welche Änderungen wurden vorgenommen und was bedeutet die Einstufung von Gülle als Abfall für die Biogaspraxis?

Nach den weitreichenden Änderungen der EEG-Novelle-2012 sorgt in diesem Jahr nun auch die Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für Fragezeichen in der Biogasbranche.

EU-Kommission setzt sich für Einordnung von Gülle als Abfall ein

Noch im April dieses Jahres hatten das BMELV und das BMU verkündet, dass Gülle für den Einsatz in Biogasanlagen weiterhin nicht als Abfall gelten wird. Das hatte für große Erleichterung in der Biogasbranche gesorgt. Mit der Zustimmung des Bundestags zu einer Neuregelung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes am 28.Oktober 2011 wurde diese komfortable Ausgangssituation nun doch geändert und der Einsatz von Gülle in Biogasanlagen wird künftig als Abfall gewertet.

Die vorgenommene Gesetzesänderung basiert auf einem Wunsch der EU-Kommission, welche sich für eine entsprechende Auslegung der europäischen Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/98/EG)  und deren Umsetzung im Kreislaufwirtschaftsgesetz eingesetzt hat. Der Deutsche Bauernverband (DBV) und vor allem die Biogasbranche sind von dieser Entwicklung der Gülleeinordnung alles andere als begeistert. So hat der DBV zur Gülle-Abfall-Problematik verkündet, dass es „fatal wäre, die aufstrebende Biogasbranche mit überzogenen gesetzlichen Vorgaben zu lähmen und damit den Umbau der Energieversorgung in dem wichtigen Segment der Kaskadennutzung von landwirtschaftlichen Rohstoffen zu gefährden“.

Cornelia Behm, Sprecherin für Ländliche Entwicklung der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisiert diesen Beschluss mit der emotionalen Äußerung: „Das ist Rechtsunsicherheit pur und kann doch wirklich so nicht wahr sein.“ Besonders der Aspekt, dass die Gülle die nicht für den Einsatz in Biogasanlagen bestimmt ist weiterhin nicht als Abfall zählen wird, ist mehr als verwunderlich. Hier finden Sie die dazugehörige Pressemitteilung von Cornelia Behm.

Mehraufwand für Betreiber von Gülle-Biogasanlagen

Gülle wird als einer der effektivsten und umweltfreundlichsten Energieträger zur Gewinnung der Bioenergie betrachtet und sie hat mit den Änderungen der EEG-Novelle in diesem Jahr weitere Impulse zum Ausbau erhalten.

Auf die besondere Förderung im EEG 2012 von Mini-Biogasanlagen bis 75 kW die mit Gülle betrieben werden, wurde in einem anderen Artikel eingegangen. Demnach erhalten Mini-Biogasanlagen eine Förderung von 25 cent/ kWh, wenn mindestens 80% Gülle eingesetzt werden. Das ist mit Abstand der höchste Fördersatz den eine Bioenergieanlage im neuen EEG erhalten kann.

Die Einstufung von Gülle als Abfall kann aber besonders bei diesen kleinen Biogasanlagen, aber auch bei den Größeren, zum Entstehen von organisatorischen Problemen beitragen. Eventuell werden etwa 3.500 der rund 7.000 Biogasanlagen in Deutschland ihre Genehmigung anpassen oder zusätzliche abfall-, wasser- und düngerechtliche Anforderungen erfüllen müssen.

Es drohen also aufwendigere Genehmigungsverfahren, sowie komplexere Überwachungs- und Berichtspflichten für die Betreiber von Gülle-Biogasanlagen. Vor allem die neuen 75 kW Mini-Biogasanlagen könnten zum Verlierer dieser Änderung der Gülle-Einstufung werden, da sie diesen erhöhten Verwaltungsaufwand mit den geringsten Einsatzmengen kompensieren müssen.

Allgemein könnte der Kostenvorteil von Gülle-Biogasanlagen durch den Mehraufwand gefährdet sein, da die betriebswirtschaftlichen Margen schrumpfen werden. Welche konkreten Auswirkungen diese Neueinordnung der Gülle haben wird und wie stark die betroffenen Biogasanlagen dadurch belastet werden, müssen konkrete Rechnungen in den kommenden Wochen zeigen.

Aber es gibt auch die Hoffnung, dass durch die Gülle-als-Abfall-Einstufung für die Planung und den Betrieb von Biogasanlagen keine großen Änderungen entstehen werden. Der DBV spricht in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit, dass die Bundesregierung und die Länder im Vollzug des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sicherstellen können, dass Gülle zur Vergärung in der Regel nicht als Abfall eingestuft wird.

Eventuell wird es auch einige Ausnahmen für Mini-Biogasanlagen geben, beziehungsweise für Anlagen, welche die verwendete Gülle vom eigenen Hof beziehen. Immerhin muss die Gülle in diesem Falle nicht gehandelt und transportiert werden und wechselt somit auch nicht das Grundstück oder den Besitzer. Dadurch könnte einiger verwaltungstechnischer Zusatzaufwand des Abfallrechts entfallen.

Fazit zur Einstufung von Gülle als Abfall

Das „Abfall“-Etikett ist weiterhin hart umkämpft und abhängig von der Gesetzeslage und Branche wird für das eigene Unternehmen mal die Kennzeichnung als „Produkt“ und manchmal die als „Abfall“ bevorzugt. Die Unterscheidung zwischen Wertstoff und Abfall liegen gelegentlich eng beieinander und sind in der betrieblichen Praxis nicht immer ganz leicht nachzuvollziehen.

Allgemein stellt sich mir die Frage, wie der Begriff der „Kreislaufwirtschaft“ und der Begriff von „Abfall“ zusammenpassen? In einer Kreislaufwirtschaft sollte immerhin jede Zwischenstufe ihre Notwendigkeit und festen Nutzen haben. Kaum ein Produkt wird in einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft als endgültiger Abfall betrachtet der entsorgt werden muss.

Gülle ist zwar ein Abfallprodukt der Tierhaltung, ist aber auch ein Rohstoff der reich an Nährstoffen und Energie ist, der ideal für die Biogasgewinnung geeignet ist. Unter der Perspektive der Kreislaufwirtschaft passt Gülle nur schwer in die Abfall-Definition. Es hilft nichts, Gesetz ist Gesetz, aber vielleicht kann der wirtschaftliche Wert der Gülle in kommenden Novellen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes noch stärker hervorgehoben und verteidigt werden.

Was denken Sie?

13 Kommentare zu „Einordnung von Gülle als Abfall kann Entwicklung von Gülle-Biogasanlagen gefährden“

  1. Gülle und Mist sind schon immer beides zugleich gewesen: Abfall/Exkrement/Gestank/Brutstätte für Bakterien & Co. sowie Dung/Nähr- und Brennstoff, Humusbildner, Speichermedium für Energie und Nährstoffe, bis hin zum warmen, weichen Lager fürs Vieh. Hier geht es, optimistisch betrachtet, um den richtigen Umgang mit einer nicht unriskanten Substanz, aber wenn man, wie ich, in solchen Fragen zu Kulturpessimismus neigt, eher um eine sich ausbreitende Unfähigkeit, alle Apekte von natürlichen Prozessen zusammen zu denken. Ursache: Entfremdung von unseren Lebensgrundlagen mit romantischem „Städter-Blick“ auf die Nutztierhaltung, ja auf die Nutzung der Natur insgesamt bei Fehlen von Sachkenntnis.

  2. Vielen Dank für den interessanten Kommentar zu einem aktuell wichtigen Thema für viele Betreiber von Biogasanlagen.

    Was bedeutet das in diesem konkreten Fall für Sie als Landwirt? Unterstützen Sie die Einstufung von Gülle als Abfall, um den Umgang mit diesem nicht immer ungefährlichen Nebenprodukt der Tierhaltung besser zu kontrollieren („Kulturpessimismus“) oder finden Sie diese Einordnung tendenziell überzogen, möchten aber eine allgemeine Debatte über Gülle und Kreislaufwirtschaft anregen?

    Bei dem angesprochenen „Städter-Blick“ fühle ich mich als Berliner nämlich durchaus angesprochen und bin gerne bereit meine persönliche Sicht nochmal zu überdenken und stärker mit Meinungen von Praktikern zu unterfüttern. Im Zuge eines Forschungsprojekts habe ich in einem Biogastechnikum zwar schon mal einige Stunden Gülle „homogenisiert“ (mit einem Handmixer), aber ansonsten sind meine praktischen Erfahrungen mit Gülle im landwirtschaftlichen Betrieb sehr begrenzt.

    Welchen vorläufigen Ausgang des Gülle-Konflikts hätten Sie sich gewünscht?

  3. Gülle wird sicher auch weiterhin als Substrat für den Betrieb einer Biogasanlage verwendet werden. Der Gülle-Einsatz wird in Zukunft aber komplizierter und der gestiegene Verwaltungsaufwand könnte den Ausbau von weiteren Gülleanlagen hemmen. Mir liegen keine betriebswirtschaftlichen Zahlen einer konkreten Gülle-Biogasanlage vor, aber ich denke und hoffe, dass Biogasanlagen auch mit der Einstufung von Gülle als Abfall weiterhin gewinnbringend wirtschaften können.

  4. Ich kann die Bestrebung nachvollziehen, alle Arten von hygienischen Gefahren nach dem gleichen Maßstab zu bewerten und insofern auch Gülle und Co. als Abfall einzustufen – schließlich tummelt sich a) in der Gülle allerhand Getier, das fatale Konsequenzen haben kann, wenn es in die menschliche Ernährung gelangt, speziell in Säuglingsnahrung. Und b) sind solche Harmonisierungsbestrebungen oft rein juristisch begründet. Wenn ein Müllhändler klagt, kann man dem nicht juristisch stichfest darlegen, warum sein Abfall nicht auch ein wertvoller Wirtschaftsdünger sein soll.

    Ich halte dies aber (1) für überzogen, und (2) hat das an anderer Stelle extrem negative Konsequenzen. Ad 1 erinnert das mich an das immer um die Ecke lauernde Verbot von Rohmilchkäse, obwohl Listerien-Skandale immer mit pasteurisierten Produkten aufgetreten sind. Der Boden ist „hygienisiert“ mit seiner Flora und Fauna die Gülle in Rekordgeschwindigkeit, und von Bauern, die nach dem Stallreinigen mit dem Hochdruckreiniger (wobei einem buchstäblich die S…. um die Ohren fliegt und ein Mundschutz zumindest während meiner Lehre nicht üblich war) unter Magengrimmen gelitten hätten oder Schlimmerem, ist mir nichts überliefert.

    Ad 2 bedeutet eine Verschärfung der Regularien für den Umgang mit Gülle immer netto eine Erschwernis, damit etwas anzufangen. Es bedeutet höhere Kosten, manchmal daher sicherlich die Entscheidung gegen eine Gülle-Biogasanlage und damit in den viehintensiven Regionen mehr Gülle-Transporte in vieharme Gegenden.

    Kurz: ich glaube, daß man wenig verbessert und viel verschlechtert bzw. erschwert, wenn man Gülle dem Abfallrecht unterwirft.

  5. Der Einsatz von Gülle in der Landwirtschaft ist also ein deutlich komlexeres Thema, als man als Großstädter auf den ersten Blick vermutet.
    Die romantische Sehnsucht vom harten, aber einfachen Landleben ist demnach wohl längst nicht mehr zu halten?! Unzählige Regularien lauern auf den Landwirt genauso, wie auf den Unternehmer oder Angestellten der sein Geld hauptsächlich vom Büro aus verdient.

    Sicherheit und eine ausgeklügelte Verwaltung ist ein Gut, welches aber vor allem für die deutsche Gesellschaft wichtig und prägend ist. Die Vorteile von vergleichweise wenigen Unfällen und einer guten Übersicht über verschiedene Wirtschaftszweige wiegen die Nachteile einer weniger flexiblen und etwas starren Struktur wahrscheinlich auf.

    Ich hoffe sehr, dass die Einstufung von Gülle als Abfall nicht zuviele Landwirte mit Biogas-Ambitionen abschrecken wird. Viele Vorteile oder positive Effekte habe ich jedenfalls bisher leider nicht gehört.

    Was übrigens für die Romantik zum Leben auf dem Land noch bleibt sind hoffentlich: Ruhe, frische Luft, Intimität und eine gewisse Entschleunigung. Oder sind diese Qualitäten auch schon in die Opferschale des Fortschritts geworfen worden :-)

  6. Wäre zwar ein Haufen Arbeit für ein bisschen Luftverbesserung, aber Qualität hat eben seinen Preis und erfordert genau diese Leidenschaft :-)

  7. Es ist durchaus verständlich dass Gülle als Abfall deklariert wird. Allerdings muss man dabei begriffen haben, dass es „Abfall zur Verwertung“ und „Abfall zur Beseitigung“ gibt.

    Gülle, die als wirtschaftseigenes Düngemittel oder zur energetischen Nutzung in Biogasanlagen eingesetzt wird, ist als „Abfall zur Verwertung“ ein Wertstoff. Ebenso ist auch das in Biogasanlagen, neben Biogas, anfallende Endprodukt Biogasgülle ein verwertbarer Abfall, in der Regel sogar ein sehr wertvolles Düngemittel. Es ist aber unbestritten, dass Gülle Stoffe enthalten kann, die nur schwer oder gar nicht in umweltverträgliche Substanzen abgebaut werden können. Diese Stoffe (z.B. Schwermetalle, diverse Pestizide und Antibiotika) werden auch in Biogasanlagen nicht verändert.

    Es ist also vollkommen verständlich, dass auch ein verwertbarer Abfall, in diesem Falle Gülle, auf seine Unbedenklichkeit bei der Weiterverwertung geprüft werden muss. Bei der Verwertung von Klärschlamm ist das längst so vorgeschrieben und auch zwingend erforderlich, um die illegale Beseitigung nicht verwertbaren, sondern schadlos zu entsorgenden Abfalls zu vermeiden.

    Es kann also nicht darum gehen, gegen die Einstufung von Gülle als Abfall mobil zu machen, sondern es sind Wege zu finden, die umweltverträgliche Verwertung der Gülle mit vertretbarem Untersuchungs- und Verwaltungsaufwand abzusichern. Es dürfte z.B. eine einmalige jährliche Untersuchung der Gülle genügen, unabhängig davon, ob sie sofort oder erst nach ihrer weiteren Verwertung in Biogasanlagen zur Düngung verwendet wird.

    Weitere Analysen wären m.E. nur erforderlich, wenn sich die Bedingungen bei der Erzeugung der Gülle (z.B. Änderung der Futtergrundlage) wesentlich ändern. Diese Änderungen müssten der Aufsichtsbehörde vom Erzeuger angezeigt werden. Zwingend vorgeschrieben werden müssten mindestens Stichprobenuntersuchungen der Biogasgülle, denn in einigen Biogasanlagen werden nicht nur landwirtschaftliche Produkte wie Gülle, Mais oder andere Energiepflanzen eingesetzt, sondern auch anderweitig anfallende organische und vergärbare Substanzen, von denen nicht vorausgestzt werden kann, dass sie keine nicht abbaubaren gesundheits- oder umweltschädlichen Stoffe enthalten.

  8. Vielen Dank für diese ausführliche Stellungnahme zum Für und Wieder der Einstufung von Gülle als Abfall! Es treffen deutlich mehr Interessen und Ziele aufeinander, als man anfänglich annimmt.

    Es besteht natürlich die Gefahr, dass durch eine weitere Verschärfung der Verwaltungsanforderungen für Gülle-Biogasanlagen der zügige Ausbau der Bioenergie-Branche gefährdet wird. Das ist ein Nebeneffekt, den Einige sogar befürworten würden. Das gilt vor allem für die Mini-Biogasanlagen nach EEG 2012, welche hauptsächlich Gülle einsetzen werden. An diesem Punkt droht eine Verlangsamung der Energiewende. Wenn der Umstieg auf erneuerbare Energien nicht rechtzeitig erreicht werden kann, dann kann man den Politikern umgekehrt kaum einen Vorwurf machen, wenn sie zahlfeiche neue fossile Kraftwerke genehmigen (z.B. mehr Erdgas aus Russland). Denn die Sicherheit der Energieversorgung dürfte den meisten Bürgern, bei aller Leidenschaft, deutlich wichtiger sein, als der Klimaschutz. Dieses Risiko muss in der Rechnung auch berücksichtigt werden.

    Umgekehrt dürfen natürlich auch keine zu hohen Risiken beim Umgang mit „Abfall zur Verwertung“ eingegangen werden. Es ist also ein Abwägen der verschiedenen Risiken nötig und letztlich müssen wir uns entscheiden, was uns wichtiger ist und welche Kompromisse wir für vertrebar halten.

    Die Idee mit der einmaligen jährlichen Untersuchung oder der Durchführung von Gülle-Stichproben halte ich für ziemlich gut. Diese Maßnahme ist hoffentlich akzeptabel für die Betreiber von Gülle-Biogasanlagen UND die angrenzende Gemeinde. Aber es kommt wirklich darauf an, die Genehmigung und den Betrieb einer Biogasanlagen nicht in ein völlig unüberschaubares Labyrinth zu verwandeln.

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