Bionik im Energiepflanzenbau ermöglicht verbesserte Gewinnung der Bioenergie

Biogastechnologie profitiert von Bionik Biomimikry durch Holzabau von Termiten | Lignocellulose EnzymWohin sollte man als Forscher schauen, wenn man nach Inspiration sucht, um Lösungen für die Spaltung der stabilsten Pflanzenbestandteile auf unserem Planten zu finden? Man läßt sich von der Natur inspirieren, genauer gesagt von dem gigantischen Ökosystem des Regenwalds. In welcher Form ein Mainzer Forschungsteam genau dies getan hat und warum die Erkenntnisse sehr nützlich für die Entwicklung der Biogas- und Biokraftstoffbranche sein können, möchte ich heute berichten.

Bionik – von der Natur lernen!

Bionik oder Biomimikry ist die wissenschaftliche und ingenieurtechnische Perspektive, bei der man sich als Schüler der Natur sieht. Man beobachtet Flora, Fauna und ganze Ökosysteme und schaut sich von den Meistern ihres Fachs verschiede Tricks und Prinzipien ab. In gewisser Hinsicht ist es also die Mischung aus den Perspektiven eines Dichters, Wissenschaftlers und Ingenieurs.

Arte hat in den letzten vier Wochen eine spannende Dokumentationsreihe zum Thema gezeigt, wobei der letzte Teil der Reihe noch für die nächsten Tage auf der arte-Website gesehen werden kann. Hier ein Ausschnitt aus dem Teil „Bauen und Effizienz“:

Das Spalten von Zellulose, Hemicellulose und Lignin, aus denen die Zellwände von vielen Pflanzen hauptsächlich bestehen, ist sehr langwierig und energieaufwendig. Das ist auch gut so, denn das Design dieser Substanzen zielt auf die Erhöhung der Stabilität der Pflanze und ihren Schutz vor Fraßfeinden ab.

Bei der Vergärung von nachwachsenden Rohstoffen im nachgeahmten Säugetiermagen namens Biogasanlage ist der Abbau, bzw. der fehlende Abbau, der Lignocellulose ebenfalls ein Problem. Die gespeicherte Energie dieser Substanzen freizusetzen und die Energiebilanz der Anlagen auf diesem Wege zu verbessern, ist ein Wunsch vieler Betreiber von Biogasanlagen (siehe auch Artikel zum Scheffer-Konzept). Wie kann die Konversion gelingen?

Mainzer Termiten verbessern Arbeitsweise von Biogasanlagen

„Mainzer Termiten“ ist natürlich etwas provokant formuliert. Eigentlich geht es um ein Mainzer Forschungsteam, welches über Termiten forscht. Prof. Helmut König, Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Weinforschung an der Johannes Gutenberg – Universität in Mainz, beschäftigt sich dabei unter anderem mit der Physiologie der Termiten und ihrer besonderen Fähigkeit Biomasse zügig abzubauen.

Das Entwicklungspotential für Biogasanlagen sehen die Wissenschaftler dabei vor allem im Abbau der Biomassebestandteile, für deren Abbau bislang sehr viel Zeit benötigt wurde, bzw. deren Abbau im Fermenter in einem vertretbarem Zeitraum überhaupt nicht stattgefunden hat. Zu diesen Bestandteilen, die bisher in den Nachgärer der Anlage wandern, gehört zu großen Teilen auch die Lignocellulose.

Die vollständige Nutzung des Biomasse-Substrats findet selbst bei Verweilzeiten im Fermenter der Biogasanlage jenseits der 70 Tage nicht vollständig statt. Um trotzdem eine bestimmte Menge an Durchsatz und Gasproduktion erreichen zu können, muss der Betreiber deshalb über entsprechend viele oder große Fermenter verfügen.

Ziel der Forschungsarbeit ist deshalb die Beschleunigung des Biomasseaufschlusses und die Verkürzung der Verweilzeiten der verwendeten Inputsubstrate. Dadurch kann mehr Biogas in der gleichen Zeit gewonnen werden und nebenbei noch die Rührwerkskonstruktion der Biogasanlage geschont werden, weil sie gegen einen geringeren Widerstand bei weniger festen Substraten arbeiten muss.

In nur 24 Stunden können Termiten Biomethan aus Holz erzeugen

Bei der Suche nach Beschleunigungsmöglichkeiten für den Substratabbau in Biogasanlagen stehen die Termiten im Fokus von Prof. König und seinem Team. Termiten sind sehr aktiv in den Tropen und Subtropen und zerlegen dort die rasant nachwachsende Biomasse in ebenbürtiger Geschwindigkeit. Ziel des Forschungsprojekts ist dabei natürlich nicht, den Abbau von Edelhölzern zu beschleunigen und diese energetisch zu nutzen, sondern das Prinzip des schnellen Lignocellulose-Abbaus auf heimische Biomasse und Nachwachsende Rohstoffe zu übertragen.

Termiten gibt es seit 150 Millionen Jahren. Die biologische Klasse der Primaten, zu denen sich auch wir Menschen zählen dürfen, ist vor etwa 55 Millionen Jahren entstanden. Somit bevölkern die Termiten in etwa 3 x so lange den Planeten Erde, wie wir Primaten. In diesem langen Zeitraum haben sich die Termiten auf vielen Ebenen perfekt an ihr Ökosystem angepasst.

Abbau von Lignocellulose durch enzyme von Termiten beschleunigen

Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit anderen, noch kleineren, Lebewesen, wie Bakterien, Hefen und Flagellaten, welche die Termiten in ihrer Darmflora mit sich herumtragen. Diese Gesellschaft von Mikroorganismen (siehe auch Artikel über Bioenergie und Mikroorganismen) hat sich wiederum optimal an die ihr zur Verfügung stehende Nahrungsgrundlage (häufig Holz) angepasst. Das geht soweit, dass selbst die Enzyme mit denen die Bakterien und Hefen ausgestattet sind, perfekt an das angepasst sind, was ihnen die Wirtstermite jeden Morgen zum Frühstück serviert. Und das ist im Regenwald eben auch ein großer Anteil an Lignocellulose.

So lustig es klingt, birgt die mikrobiologische Entschlüsselung und Nachbildung der Darmflora von Termiten ein großes Potential für die Weiterentwicklung der Bioenergie. Die direkte Nutzung der Darmflora der Termiten wäre ein erster, von der Natur abgeschauter, Schritt. Der Nächste wird sein, dass auch die biochemische Zusammensetzung des Enzymcocktails der beteiligten Bakterien und Flagellaten verstanden und nachgeahmt wird, welcher dazu in der Lage ist, Holz in Stunden bis weniger Tagen aufzuschließen und die enthaltene Energie verfügbar zu machen. Gerade in Ländern in Äquatornähe haben einige Holzhausbesitzer dieses Talent der Termiten sicher schon schmerzhaft erfahren.

Auch Biokraftstoffe der nächsten Generation profitiert vom Enzymcocktail

Das Besondere an der Grundlagenforschung ist, dass sie ausgehend von einem konkreten Ansatzpunkt interessante Ergebnisse für viele Anwendungsmöglichkeiten liefern kann. So ist der Aufschluss der Lignocellulose nicht nur für die Biogastechnologie und somit die gasförmige Bioenergie interessant, sondern kann auch für alternative Kraftstoffe (Zellulose-Ethanol, Biomethan etc.) im Transportsektor verwendet werden.

Die Entwicklungen im Bereich des Zellulose-Ethanols, einem Biokraftstoff der nächsten Generation, sind beispielsweise eng mit den Möglichkeiten zum Zellulose-Aufschluss verknüpft. Weltweit gibt es verschiedene Ansätze um mit Hilfe von hohen Drücken und Temperaturen (z.B. der Pyrolyse – siehe auch Artikel zur Biokohle) oder der Verwendung von Enzymen den Aufschluss der Lignocellulose wirtschaftlich vertretbar zu erreichen. Die Erkenntnisse des Mainzer Forschungsteams um Prof. König werden also auch für die Weiterentwicklung der flüssigen Bioenergie weitere Entdeckungen hervorbringen. Dabei wünsche ich noch viele Inspirationen und viel Erfolg!

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